Auflistung aller VDD-Jahrestagungen

VDD-Seminare sind nicht in dieser Auflistung enthalten.

1955 Darmstadt Gründungsversammlung am 06.06.1955. 1. Stiftungsfest
1956
1957 Darmstadt 2. Stiftungsfest: „Begrenzung der Druckleistung durch Papier und Farbe“
1958 Darmstadt 3. Stiftungsfest: „Trocknung im Tiefdruck“
1959 Darmstadt 4. Stiftungsfest: „Siebengelenkgetriebe in Verpackungsmaschinen“
1960 Darmstadt 5. Stiftungsfest: „Jungingenieure in der Praxis“
1961 Darmstadt 6. Stifungsfest: „Ausbildung in Ost und West auf dem Gebiet der polygraphischen Technik“
1962 Darmstadt Beginn der „Polygraphischen Gespräche“, Termine über das Jahr verteilt
1963 Darmstadt Jahrestagung: „Forschung im Druckmaschinenbau“
1964
1965 Darmstadt Jahrestagung: „Industrial Design im Druckmaschinenbau“
1966 Darmstadt Jahrestagung – 10 Jahre VDD: „Rotierende Bogenführung“, Podiumsdiskussion
1967
1968 Darmstadt Jahrestagung: „Kunststoffe im Druckmaschinenbau“
1969
1970
1971
1972
1973
1974
1975
1976 Frankfurt Jahrestagung: „Neue Technologien – eine Ergänzung oder Konkurrenz?“
1976 München Sonderveranstaltung: „Drucken, ein Grenzflächenphänomen?“
1977
1978
1979 Stuttgart Jahrestagung: „Druckfarbe und Bedruckstoff“
1980 Frankfurt Jahrestagung: 25 Jahre VDD: Übertragungsfunktionen in der Drucktechnik“
1981 Frankfurt Jahrestagung: „Offene Fragen zwischen Druckmaschinenbauer und Drucker“
1982 Baden-Baden Jahrestagung: „Rollenpapiere und Druckmaschinen“
1983 Ulm Jahrestagung: „Oberflächenschutz – funktionelle Galvanotechnik in der Druckindustrie“
1984 Darmstadt Jahrestagung: „Drucken und Energie“
1985 Würzburg Jahrestagung: „Vollautomatische Druckmaschine – Vision oder bald Realität?“
1986
1987 Stuttgart Jahrestagung: „Digitale Bildverarbeitung“
1988 Bad Homburg Jahrestagung: „Spezialgebiete der Drucktechnik – Stand und Zukunftsaussichten“
1989 Düsseldorf Jahrestagung: „Neue Entwicklungen im Druckmaschinenbau“
1990 Düsseldorf Sonderveranstaltung zur Drupa 1990: „VDD/TAGA-Tagung“
1991 Heidelberg Jahrestagung: „Neue Werkstoffe – Ressourcen und Recycling“
1992 Mainz Jahrestagung: „Grundlagen, Praxis und Trends der Qualitätssicherung“
1993 Bensheim Jahrestagung: „Drucken morgen“
1994 Düsseldorf Jahrestagung: „Drucken im 21. Jahrhundert“
1995 Düsseldorf Sonderveranstaltung zur Drupa 1995: „VDD/TAGA-Tagung“
1996 Bad Dürkheim Jahrestagung: Zeitungstechnik – Schrittmacher der Druckindustrie
1997 Lahnstein Jahrestagung: Rund um die Farbe, Druckfarbe – Farbwerke – Farbtrocknung
1998 Freiburg Jahrestagung: „Grenzen der Mechanik – Zukunft der Elektronik“
1999 Düsseldorf Jahrestagung: „Drucken nach der Drupa 2000 – Perspektiven und Visionen“
2000 Düsseldorf Sonderveranstaltung zur Drupa 2000: „VDD/TAGA-Tagung“
2001 Berlin Jahrestagung: „E-Business, Grenzen und Chancen der Druckindustrie“
2002 Würzburg Jahrestagung: „Stellenwert der Information gestern und morgen“
2003 Düsseldorf Jahrestagung: „Drucken nach der drupa 2004“
2004 Düsseldorf Sonderveranstaltungen zur drupa 2004
2005 Darmstadt Jahrestagung: „Potentiale gedruckter Elektronik“
2006 Chemnitz Jahrestagung: „Wandel im Druckmaschinenbau durch innovative Antriebstechnik“
2007 Weimar Jahrestagung: „Die Bedeutung der Druckmaschine im Workflow“
2008 Stuttgart Jahrestagung: „Differenzierung durch Druckverfahrenstechnik“
2009 Osnabrück Jahrestagung: „Prozess- und Qualitätskontrolle für ressourcenschonendes Drucken“
2010 Heidelberg Jahrestagung: „“Strukturwandel“ in der Druckbranche“
2011 Solms Jahrestagung: „Energieeffizienz in der Druckindustrie“
2012 Berlin Jahrestagung: „Technische Herausforderungen der Online-Print-Produktion“
2013 Konstanz Jahrestagung: „Druckindustrie – Fit für die Zukunft?“
2014 Leipzig Jahrestagung: „Künftige Funktionalität in der Verpackung“
2015 Darmstadt Jahrestagung: „Erfolgsfaktor Umbruch“
2016 Lohr Jahrestagung: „Industrieller Druck“
2017 Würzburg Jahrestagung: „(Druck-) Industrie 4.0“
2018/19 München Jahrestagung: „Erfolgreich drucken – alles nur eine Frage der Logistik“

Untersuchung des dynamischen Verhaltens ausgesuchter Konfigurationen eines Modellfarbwerkes

Prof. Dr.-Ing. Helmut Rech

Die Abbildungen können über Links im Text aufgerufen werden. Zusätzlich befinden sich am Ende des Textteils Vorschaubilder, mit denen die Abbildungen ebenfalls aufgerufen werden können.

1. Einleitung

Beim Druckvorgang wird von den druckenden Stellen der Druckform bzw. des Gummituches Druckfarbe in Form einer dünnen Schicht auf den Bedruckstoff übertragen. Das prozessbedingende Feuchtmittel wird ebenfalls teilweise verdruckt bzw. verdunstet. Aufgabe des Farbwerkes ist es, die druckenden Stellen der Druckform stets mit frischer Farbe zu versorgen, damit der Druckprozess aufrechterhalten werden kann. Die Farbmenge, die „verdruckt“ wird, muss dem System wieder zugeführt werden. Die Mengenbilanz muss ausgeglichen sein, wenn Farbdichteschwankungen vermieden werden sollen. Die Mengenbilanz des Feuchtmittels muss ebenfalls ausgeglichen sein. Der Farbfluss ist abhängig vom Feuchtmittelfluss. Die qualitätsbestimmenden Kriterien sind somit:

  • Farbschichtdickenkonstans und Feuchtmittelmengenkonstans auf den druckenden bzw. nichtdruckenden Stellen der Druckplatte bzw. den bedruckten Stellen auf dem Bedruckstoff und
  • dynamisches Verhalten des Farbwerkes bei Erhöhung bzw. Erniedrigung der Farbschichtdicke auf dem Duktor (Hysterese des Farbwerkes).

Die Größen sind abhängig vom konstruktiven Konzept des Farbwerkes und des Feuchtwerkes einer Offsetmaschine, von der Rauhigkeit des Bedruckstoffes, der Mikrogeometrie der Druckplatte, des Gummituches und den rheologischen Eigenschaften der Druckfarbe.

2. Funktion eines Offset-Farbwerkes

Im Farbwerk erfolgt die Farbzufuhr entweder kontinuierlich durch eine Filmwalze oder diskontinuierlich durch eine oszillierende Heberwalze. Die Heberwalze empfängt von der Duktorwalze einen relativ dicken Farbstreifen und überträgt durch Abrollen einen Teil des Streifens der ersten Walze des Farbwerkes. Die Dosierung der eingespeisten Farbmenge erfolgt also durch Wahl des Walzenspaltes, der Winkelgeschwindigkeit (entspricht der Streifenbreite) und der Taktzeit des Hebers (Heberfrequenz). Der aufgebrachte Farbstreifen wird mehrfach gespalten und umgelagert, so dass die Farbauftragwalzen auf den druckenden Stellen des Plattenzylinders einen in seiner Dicke relativ konstanten Druckfarbenfilm erzeugen. Offsetdruckplatten zeichnen sich dadurch aus, dass sich druckende und nichtdruckende Stellen in einer Ebene befinden. Zur Separierung der druckenden Elemente von den nichtdruckenden wird das Feuchtmittel verwendet, das durch das Feuchtwerk möglichst als sehr dünner Film auf die Druckplatte aufgetragen wird. Ein Teil des Feuchtmittels wird verdruckt und der Rest wird verdunstet. Die „verdruckte“ Farbmenge und die verdruckte und verdunstete Feuchtmittelmenge müssen bei einer ausgeglichenen Mengenbilanz den jeweils zugeführten Mengen entsprechen. Ist dies nicht der Fall, ergeben sich zeitliche Veränderungen der mittleren Farbschichtdicke.

2.1 Störungen im Farbfluss

Die diskontinuierliche Farbzufuhr (System Heber- und Duktorwalze) sowie die diskontinuierliche Farbübertragung auf den Bedruckstoff (nichtdruckende und druckende Elemente auf der Druckplatte) bedingen, dass man nicht von einem kontinuierlichen Farbfluss sprechen kann. In dem vereinfachten Modell der Einfärbung mittels einer Farbauftragwalze soll die Entstehung von rückwirkenden Störeffekten [1] beim Farbauftrag demonstriert werden, siehe Abb.1. Die Feuchtmittelschicht soll bei diesem Modell zunächst unberücksichtigt gelassen werden. Vor der Einfärbung befindet sich auf der Farbauftragwalze eine Farbschicht mit der Dicke S1. Die druckenden Formelemente auf der Druckplatte tragen die Restfarbenschicht mit der Dicke S2. Nach dem Einfärben besitzt somit das druckende Element auf der Druckplatte die neue Farbschicht S4 und an der zugeordneten Stelle auf der Farbauftragwalze verbleibt die Farbschicht mit der Dicke S3. Bei Verwendung des Spaltungsfaktors αx ergeben sich die Farbschichtdicken S3 und S4 zu:

S4 =αx · (S1 + S2)
S3 = (1 – αx) · (S1 + S2)

Unmittelbar vor und nach der Stelle mit der Dicke S3 besitzt die Auftragwalze aber die Schichtdicke S1. Es entsteht so eine Sprungstelle in der Schichtdicke mit der Differenz ΔS = S1 – S3. Diese Differenz wird zwar bei weiteren Abrollungen mit der darüberliegenden Reiberwalze gemildert, aber nicht vollständig beseitigt. Diese Differenz zeigt sich dann in den bedruckten Stellen auf dem Bedruckstoff, so dass über den druckenden Elementen kein Druckfarbenfilm konstanter Dicke liegt, sondern ein mehr oder weniger ausgeprägtes Schichtdickenrelief, das die Druckqualität stark mindert [1, 2, 3, 4, 5, 6, 7].

3. Möglichkeiten zur Untersuchung der Einfärbequalität und des dynamischen Verhaltens von Offset-Farbwerken

Zur Untersuchung bzw. Entwicklung von Offset-Farbwerken gibt es zwei Wege:

  • den experimentellen Weg,
  • den theoretischen bzw. rechnerischen Weg mittels Computersimulation [6, 7].

Der experimentelle Weg setzt den Bau mehrerer Prototypen von Offset-Farbwerken (bzw. eines sehr variablen Prototyps) voraus, mit denen Druckversuche durchgeführt werden. Druckversuche sind zeitraubend und liefern häufig keine eindeutigen Ergebnisse. Zudem ist der Bau eines variablen Prototyps bzw. der Bau mehrerer Prototypen außerordentlich kosten- und zeitintensiv.

Die theoretische Berechnung des Farb- und Feuchtmittelflusses erweist sich immer als die weitaus kostengünstigere Untersuchungs- bzw. Entwicklungsmethode, die zudem wesentlich schärfere Entscheidungskriterien für die Wahl eines neuen Farbwerkkonzeptes liefert.

3.1 Theoretische Grundlagen der Simulation des Farb- und Feuchtmitteltransportes in Offset-Farbwerken

Zur Berechnung des Farb- und Feuchtmitteltransparentes müssen die Übertragungsfunktionen im Farbwerk sowie in der Druckzone definiert sein.

Die Farbübertragung in der Druckzone kann durch die von Walker und Fetzko [8] definierten Näherungsfunktionen gut beschrieben werden, siehe Abb. 2. Auch die Feuchtmittelübertragung in der Druckzone kann mit diesen Ansätzen ausgedrückt werden.

Die Farb- und Feuchtmittelübertragung im Farbwerk kann als grobe Näherung durch ein Zweistoffmodell definiert werden, siehe Abb. 3.

Bei dieser Modellvorstellung geht man davon aus, dass die Gesamtfeuchtmittelmenge WAB, die sich in einem Walzenspalt befindet, den Farbspaltungsfaktor stark beeinflusst. Der Farbspaltungsfaktor αx kann nicht mehr als Konstante wie beim Hochdruck aufgefasst werden, sondern ist abhängig von der Gesamtschichtdicke des Feuchtmittels im betreffenden Walzenspalt [9, 10, 11, 12], siehe Abb. 4.

Die Modellvorstellungen zur Farb- und Feuchtmittelspaltung wurden in früheren Arbeiten ausführlich diskutiert [6, 7].

Mit der in Abb. 4 skizzierten Übergangsfunktion kann die Farbspaltungsfunktion αx in Abhängigkeit von der Gesamtdicke des Feuchtmittels näherungsweise bestimmt werden.

Druckversuche und Einzelmessungen in Grundlagenuntersuchungen zur Bestimmung von xsp, ysp, bx, WTR und ß1 müssen noch durchgeführt werden.

Für vergleichende Farbwerkuntersuchungen ist jedoch die genaue Kenntnis dieser Parameter nur von untergeordneter Bedeutung, da der Konstrukteur vorwiegend wissen will, ob z. B. Farbwerk Typ A zu besseren Werten führt als Typ B oder umgekehrt.

Bei der rechnerischen Betrachtung des Feuchtmittelflusses muss jedoch nicht nur das „verdruckte“ Feuchtmittel betrachtet werden, sondern es muss berücksichtigt werden, dass Feuchtmittel auch verdunstet wird [13].

Die Verdunstung des Feuchtmittels wird mittels geeigneter Algorithmen abgebildet. Dabei sind die Hauptparameter die Luftfeuchtigkeit und die Raumtemperatur in unmittelbarer Nähe des Farbwerkes. Eine Verdunstung ist nur dann vorhanden, wenn die Walzenoberflächen mit dieser Maschinenumgebung in Berührung kommen. Bilden z. B. die Elemente des Farbwerkes einen Innenraum, so ist mit schneller Sättigung zu rechnen, d. h., Verdunstung findet in solchen Innenräumen nicht statt.

Für das theoretische Modell sind zudem folgende einschränkende Voraussetzungen zu treffen:

  1. Das Farbwerk arbeitet ohne Schlupf, die Walzen rollen exakt aufeinander ab.
  2. Die Auswirkungen der Changierbewegung werden nicht erfasst. Es wird eindimensional gerechnet.
  3. Die Anzahl der Schritte (auf dem Druckzylinder bzw. den Farbwerkwalzen) muss ganzzahlig sein. Die Ganzzahligkeit wird durch Auf- oder Abrundung erzielt.
  4. Das Farbschichtdickenrelief auf der Heberwalze vor dem Einlauf ist determiniert. Durch Wahl der Unterprogramme kann eine kontinuierliche (Filmfarbwerk) oder eine diskontinuierliche (Heberfarbwerk) Farbzufuhr realisiert werden.
  5. Die Schichtdicke des Feuchtmittels wird als konstant definiert (Filmfeuchtwerk).
  6. Der Feuchtmittelfilm befindet sich auf der Oberfläche der Feuchtwerkwalzen. Eine Feuchtmittelspeicherung in speicherfähigen Bezügen (z. B. Molton) kann mit den verwendeten Algorithmen nicht beschrieben werden.

3.2 Kennziffern zur Bewertung des Farbschichtdickenverlaufes auf dem Bedruckstoff und der Einfärbequalität

Für die Beurteilung der Farbwerksfunktion – letztlich also des Schichtdicken-Verlaufes auf der Druckform bzw. dem Bedruckstoff – sind entsprechende Qualitätsziffern erforderlich. Im Hinblick auf die Praxis, bei der eine Messung auf der Druckform sehr schwierig ist, wird vorzugsweise der Schichtdickenverlauf auf dem Bedruckstoff zur Beurteilung herangezogen. Dabei ist davon auszugehen, dass nur die bedruckten Stellen L1 und L2 etc. bewertet werden dürfen, siehe Abb. 5. Liegt der Schichtdickenverlauf S(i) in diskreter Form vor, so wird der arithmetische Mittelwert durch Summation der diskreten Werte gewonnen. Der arithmetische Wert Mittelwert SMittel des Schichtdickenverlaufes ergibt sich zu:

SMax = Maximalwert
SMin = Minimalwert

Dabei ist n = (i2 – i1) + … + (in – im) + (iD – in +1) die Gesamtheit aller betrachteten Schritte (= Länge der bedruckten Stellen, siehe Abb. 5).

Mittels der Werte SMax, SMin und SMittel kann man den Ungleichförmigkeitsgrad η bestimmen:

Der Ungleichförmigkeitsgrad η ist als die wichtigste Qualitätskennziffer anzusehen. Die Extremwerte werden dabei ganz deutlich bewertet. Andere Qualitätskennziffern der Statistik und der Informationstheorie können ebenfalls aus dem Schichtdickenverlauf bestimmt werden.

3.3 Dynamisches Verhalten eines Farbwerkes

Normalerweise wird eine Farbwerkssimulation mit einem „nichteingefärbten“ Farbwerk gestartet. Die Farb- und Feuchtmittelschichtdicken auf den Walzen bei der jeweils ersten Umdrehung besitzen den Wert S = 0.

Danach wird vom Heber bzw. der Firmwalze dem System Farbe zugeführt. Gleichzeitig wird Farbe auf den Bedruckstoff übertragen. Die mittlere Farbschicht steigt (einer verzerrten e-Funktion ähnlich) bis zu einem Sättigungswert an. Der Beharrungszustand ist erreicht.

Je nachdem, wie schnell das System diesen Beharrungs- bzw. Gleichgewichtszustand erreicht, spricht man von einem rasch oder träge reagierenden Farbwerk. Interessant ist es nun, zu beobachten, wie schnell bzw. träge ein Farbwerk reagiert, wenn die Farbzufuhr abgestellt wird. Um zu erkennen, ob sich zwischen Hochlaufen und Auslaufen eines Farbwerkes starke Unterschiede ergeben, kann quasi eine „Hysterese“ gebildet werden.

Die Hysterese wird so gebildet, indem man die Auslaufkurve um den halben Endwert der Anlaufkurve spiegelt und um NDREHZ/2 in den Ursprung verschiebt. Den eingeschlossenen absoluten Flächenanteil stellt die Hysterese dar. Ist der Wert dieser Fläche sehr klein, so verhält sich der Auslauf sehr ähnlich wie der Hochlauf. Bei einer Farbwerksteuerung ist es sehr interessant, zu wissen, ob wir die Farbschicht an einer bestimmten Stelle um einen Betrag ΔS erhöhen oder erniedrigen. 
Bei der Simulation geht man so vor, dass bis zu einer Exemplarzahl (NAB-1) über den Heber (die Filmwalze) Farbe eingespeist wird. Bei NAB wird die Farbzufuhr abgestellt. Der Ablauf wird dem Hochlauf gegenübergestellt. Die Hysterese kann bestimmt werden, siehe Abb. 6a und Abb. 6b.

Eine weitere Fragestellung bezüglich des dynamischen Verhaltens ergibt sich aus dem sprungartigen Schichtdickenanstieg nach einer Druckunterbrechung [14, 15]. Aus der Praxis sind Lösungen bekannt, die einen solchen Schichtdickenanstieg vermeiden. Man baut quasi Trennstellen im Farbwerk ein.

4. Prinzipieller Programmaufbau

Für diese theoretischen Unterordnungen wurde ein spezielles Modellfarbwerk herangezogen, siehe Abb. 7. Das Programm für dieses Farbwerk mit vier Auftragwalzen und einem unterschiedlich langen Walzenstrang vom Heber bis zur Auftragwalze IB2 besteht aus einem speziellen Hauptprogramm und mehreren systeminvarianten Unterprogrammen. In Abb. 8 ist ein stark vereinfachtes Strukturdiagramm desselben wiedergegeben. Im vorliegenden Fall wurde die Programmiersprache FORTRAN verwendet.

Am Programmbeginn stehen die mit „C“ definierten Kommentare mit einigen Grunderläuterungen, siehe Abb. 9. Danach werden der COMMON-Block sowie der DIMENSION-Block aufgeführt. Danach erfolgt das Einlesen der erforderlichen Daten durch READ-Befehle. Zum Zwecke der Dokumentation werden diese Daten durch WRITE-Befehle wieder ausgelesen. Anschließend werden einige Zwischenwerte und die Verdunstungsbeiwerte berechnet.

Die äußere Schleife definiert den Beginn einer neuen Umdrehung des Formzylinders. Die innere Schleife bewirkt, dass sich das Farbwerk quasi um einen Schritt weiterdreht. Das Gleichungssystem für den gesamten Farb- und Feuchtmitteltransport liegt in verschlüsselter Form vor. Für die entsprechenden Spaltstellen werden die jeweiligen Unterprogramme aufgerufen. In den entsprechenden Unterprogrammen erfolgt die Berechnung der Schichtindices sowie die Berechnung des Farb- und Feuchtmitteltransportes. Die Verdunstung des Feuchtmittels wird als Feuchtmittelschichtreduktion ausgedruckt.

Das UP RO10

Mit UP wird der Begriff Unterprogramm abgekürzt.

Das UP RO10 dient dazu, in einer beliebigen Spaltstelle im Farbwerk die auslaufenden Farb- und Feuchtmittelschichtdicken zu bestimmen. Das UP RO10 darf nicht verwendet werden für:

  1. Farbzufuhr
  2. Feuchtmittelzufuhr
  3. Farbauftrag auf Formzylinder
  4. Farbübertragung in der Druckzone
  5. Farbübertragung auf das Gummituch

Das Programm enthält den auch im Hauptprogramm vorhandenen COMMON-Block. Danach sind variable DIMENSION-Anweisungen enthalten. Die variable Indizierung hat den Vorteil, dass bei Änderung der Ausgabe der Dateneingabe keine Änderung der DIMENSION-Felder im UP zu erfolgen braucht.

Anschließend werden die Indizes KA und KB berechnet. Für die erste Umdrehung werden spezielle Annahmen getroffen. Die Transportgleichungen werden berechnet, wenn keine Trennfunktion vorliegt. Die Verdunstung – ausgedrückt als Feuchtmittelschichtreduktion – wird ermittelt.

Das UP RO20

Das UP RO20 wird benötigt, wenn die Farbzufuhr kontinuierlich erfolgt (z. B. Filmfarbwerk). Das UP RO20 ist im Prinzip wie das UP RO10 aufgebaut. COMMON-Block und DIMENSION-Block entsprechen denen des RO10.

Die Berechnung der Indizes KA und KB erfolgt in der gleichen Weise.

Zur Realisierung der kontinuierlichen Farbzufuhr wird die einlaufende Farbschichtdicke auf der Walze A immer konstant gesetzt. SA(KA) = S2 = constant. Die Rückübertragung der berechneten Werte in das Hauptprogramm erfolgt mit der Argumentenliste. Auch hier kann die Trennfunktion ausgeübt werden.

Das UP RO30

Das UP RO30 dient dem Farb- und Feuchtmittelauftrag auf dem Plattenzylinder durch die Farb- und Feuchtmittelauftragwalzen. In seiner Grundstruktur ist dieses Programm ähnlich aufgebaut wie RO10 bzw. RO20. Die Steuerzahl KDR definiert die druckenden und nichtdruckenden Elemente.

Es bedeutet:

KDR = 1, Farb- und Feuchtmittelauftrag finden statt KDR = 0, es wird keine Farbe übertragen, sondern nur Feuchtmittel.

Die Steuerzahl KFR definiert die Schrittzahlen des Kanals bzw. der Druckform. Bei KFR = 0 wird auch kein Feuchtmittel übertragen. Unterschreitet die Gesamtschichtdicke des Feuchtmittels die Grenze WGR, tritt „Tonen“ ein, d. h., es wird KDR = 1 gesetzt, so dass ein Farbauftrag erfolgt. Indizierung und Rückübertragung der Werte in das Hauptprogramm erfolgen in analoger Weise wie bei den bereits beschriebenen Unterprogrammen. Mit der Steuerzahl ITR wird die Trennfunktion realisiert.

Das UP RO40

Dieses UP dient der Farb- und Feuchtmittelübertragung in der Druckzone. Die Übertragungsfunktionen für Farbe und Feuchtmittel sind in Abb. 1. dargestellt. Die Bildung der Indizes sowie die Übertragung der berechneten Werte in das Hauptprogramm erfolgt analog wie bei den bereits behandelten Unterprogrammen. Mit der Steuerzahl ITR ist die Trennfunktion realisierbar.

Das UP RO50

Dieses UP dient der Realisierung einer kontinuierlichen Feuchtmittelzufuhr in das Feuchtwerk mit Trennfunktion. Analog zu den UP RO20 wird hier die Schichtdicke WB(KB) = S4 = const eingesetzt.

Die übrigen Programmfunktionen entsprechen in ihrem Aufbau denen der vorangegangenen Unterprogramme.

Das UP RO60

Das UP RO60 dient der Realisierung einer diskontinuierlichen Farbzufuhr (Heberfarbwerk) mit Trennfunktion. Die Heberstreifenbreite wird durch KBR festgelegt. Die Schichtdicke des Heberstreifens beträgt S2. Durch eine logische Abfrage wird entschieden, ob ein Heberstreifen wirksam wird. Die Kennzahl FIDA gibt den Heberrhythmus an. Ist z. B. FIDA = 4, so erfolgt bei jeder vierten Umdrehung des Formzylinders eine Farbeinspeisung.

Das UP RO70

Das UP RO70 dient der Farbübertragung auf den Gummizylinder.

Die Steuerzahl ITR definiert die Trennfunktion. Die Indizierung und Werterückübertragung erfolgt wie bei den anderen Unterprogrammen.

Das UP RO 0022

In diesem Unterprogramm werden nach jeder erfolgten Umdrehung des Formzylinders die unter 3.3 genannten Qualitätsziffern berechnet. Die Qualitätsziffern sowie die Extrem- und Mittelwerte werden mit einem entsprechenden Text ausgeschrieben. Ist die vorgegebene Endumdrehungszahl NDREHZ erreicht (in den meisten Fällen werden 400 Umdrehungen vorgegeben), so wird das berechnete Schichtdickenrelief vom Drucker im Diagramm SM = f(KM) dargestellt.

Das UP PROGN1

Das UP PROGN1 darf nur aufgerufen werden, wenn eine kontinuierliche Farbzufuhr erfolgt. Mit diesem Unterprogramm ist es möglich, bereits nach ca. 15 bis 20 Umdrehungen die Anfangsbedingungen zu überprüfen und genügend genau zu korrigieren. Der Wert S2 auf der Heberwalze wird dahingehend abgeändert, dass sich nach 100 Umdrehungen Laufzeit eine mittlere Schichtdicke von 1.0 + 0.1 μm auf dem Bedruckstoff ergibt. Eine Prognoserechnung dieser Art ist nur deswegen möglich, weil die Simulation des Farbtransportes bei Annahme eines völlig farbfreien Farbwerkes gestartet wird, so dass der zeitliche Verlauf der mittleren Schichtdicke einer verzerrten e-Funktion entspricht. Nach 50 bis 70 Umdrehungen erreicht die mittlere Schichtdicke ihren Endwert. Durch manuelles Korrigieren würden die Bearbeitungszeiten unnötig in die Länge gezogen werden. Dieses Prognoseprogramm gestattet es, in einem Rechengang vergleichbare Werte der mittleren Schichtdicke zu erzielen. Das Prognoseprogramm hat also nur eine reine Hilfsfunktion und dient dem Bearbeitungskomfort.

In der Abb. 9 ist ein Ausschnitt aus dem Hauptprogramm TYPAZ dargestellt, in welchem die Bedeutung der Steuerzahlen KFALL1, KFALL2, KFALL3 und KFALL4 kurz erläutert wird.

Nach Beendigung der inneren Schleife wird das UPRO 0022 aufgerufen, das für die gerade erfolgte Umdrehung den Ungleichförmigkeitsgrad sowie Extrem- und Mittelwerte des Farbschicht- und Feuchtmittelschichtverlaufes berechnet.

Danach werden Zwischenwerte und gegebenenfalls Prognosewerte errechnet. Die äußere Schleife wird beendet. Danach kommt der STOP, END-Befehl. Alle Programmteile sind in FORTRAN 7 geschrieben. Ein leistungsfähiger PC liefert die Endresultate innerhalb weniger Stunden.

5. Untersuchungsergebnisse

Die Computersimulation bietet eine Reihe von Ergebnissen für die jeweils untersuchte Farbwerkskonzeption.

5.1 Hystereseuntersuchungen

Das in Abb. 7 dargestellte Farbwerk kann durch Modifikation der Steuerzahlen KFALL1 bis KFALL4 modifiziert werden.

Das Farbwerk wurde durch die Wahl der Steuerzahlen:

  • KFALL1 = 2
  • KFALL2 = 1 bis 3
  • KFALL3 = 6
  • KFALL4 = 4

so modifiziert, dass sich auf der Walze IB2 keine Reiterwalzen befinden. Die Walzen IB5, IB4, IB3, IE2, IE1 waren außer Funktion. Die Farbzufuhr war kontinuierlich (KFALL1 = 2), die Walzenzahl zwischen Heber IK0 und IC7 konnte durch KFALL2 modifiziert werden.

Die Ergebnisse sind in der Tabelle 1 dargestellt.

Deutlich wird erkennbar, dass mit größerer Kettenlänge die Hysterese ansteigt, also der Unterschied zwischen Hochlauf und Auslauf stärker wird.

KFALL1 = 2 KFALL3 = 6 KFALL4 = 4
KFALL2 Walzen der Kette umfasst Hysteresefläche
1 ID7, ID6, ID5, ID4, ID3, ID2, IC7, IB2 10,92 Einheiten
2 ID7, ID4, ID3, ID2, IC2, IB2 8,18 Einheiten
3 ID7, ID2 6,90 Einheiten
IC7, IB2

Wird das Farbwerk so wie in Abb. 7 dargestellt berechnet, der Hebertakt FIDA jedoch variiert, so ergeben sich die in Tabelle 2 dargestellten Ergebnisse. FIDA definiert die Zahl der Zylinderumdrehungen zwischen zwei Farbeinspeisungen.

KFALL1 FIDA Hysteresefläche
1 13,57 Einheiten
2 1,0 6,43 Einheiten
2,0 8,03 Einheiten
2 3,0 9,61 Einheiten
2 5,0 11,76 Einheiten

Bei dieser Untersuchung wird deutlich, dass bei der kontinuierlichen Zufuhr der Hysteresewert denjenigen bei diskontinuierlicher Zufuhr übersteigt. Es wird zudem ersichtlich, dass der Anlauf wesentlich rascher erfolgt als der Auslauf, siehe Abb. 10.

Wird der Wert für FIDA, welcher die Zahl der Zylinderumdrehungen zwischen zwei Einspeisungen definiert, zu groß gewählt, so wird deutlich, dass der Hochlauf deutlich langsamer als der Auslauf erfolgt. Ferner ist eine starke Welligkeit der mittleren Farbschicht zu beobachten, siehe Abb. 11.
5.2 Schichtdickenerhöhung bei Druckunterbrechung

Aus der Praxis ist bekannt, dass nach einer Druckunterbrechung auf dem Druckexemplar oftmals eine zu große Farbschichtdicke beim ersten Druckexemplar nach dem Wiederanfahren vorliegt. Um dieser Schichtdickenerhöhung nach einer Unterbrechung vorzubeugen, wird im Farbwerk häufig eine Trennstelle eingebaut. Diese Trennstelle unterbindet z. T. den Schichtdickenausgleich zwischen den Walzen ID2 und IC7, wenn die Druck-, Farb- und Feuchtmittelzufuhr abgestellt werden.

Auf der Zeitachse definiert der Begriff Drehzahl die Zahl der gedruckten Exemplare. Ohne Trennstelle im Farbwerk ist mit einer Schichtdickenerhöhung von fast 30% zu rechnen, siehe Abb. 12a. Bei schwierigen Sujets, Druckfarben und Papieren kann eine solche Schichtdickenerhöhung zum Rupfen führen. Wird eine Trennstelle zwischen ID2 und IC7 vorgesehen, so ist nur eine Erhöhung von ca. 2% zu beobachten, siehe Abb. 12b.

5.3 Einfärbequalität

Die ideale Einfärbung liegt dann vor, wenn der Ungleichförmigkeitsgrad 0 beträgt. Dieser ideale Fall kann bei konventionellen Farbwerken nicht realisiert werden. Man sollte dennoch bei der Konzeption von Farbwerken einen Ungleichförmigkeitsgrad unter 3% anstreben.

Für die vergleichenden Untersuchungen wurde eine kontinuierliche Farbzufuhr (KFALL1 = 1) angenommen. Durch diese Betrachtungsweise kann festgestellt werden, in welchem Maße das Farbwerk Störungen, herrührend von der unterbrochenen Druckform, abbaut.

Für den Fall, dass nur die Auftragwalze IB2 als einzige Auftragwalze in Funktion ist und die Walzen IB3, IE1, IB4, IE2 bis IB5 außer Funktion sind, wird die Glättungswirkung der Reiterwalzen IC6 bis IC2 untersucht.

Die Ergebnisse sind in der Tabelle 3 zusammengestellt.

KFALL3 = 1 KFALL2 = 1 KFALL4 = 4
KFALL3 Reiterwalzen im Einsatz Ungleichförmigkeitsgrad η
1 IC6, IC5, IC4, IC3, IC2 1,40%
2 IC5, IC4, IC3, IC2 2,11%
3 IC4, IC3, IC2 3,99%
4 IC3, IC2 7,03%
5 IC3 11,99%
6 keine 24,77%

Wenn alle Reiterwalzen im Einsatz sind, ergibt sich ein sehr niedriger Ungleichförmigkeitsgrad von η = 1,40%. Werden alle Reiterwalzen entfernt, ergibt sich ein unakzeptabler Wert von η = 24,77%.

Bei der Gegenüberstellung der Schichtdickenprofile, aufgetragen über der abgewickelten Drucklänge in Abb. 13a und Abb. 13b ist der große Unterschied in der Einfärbequalität deutlich zu sehen.

Wird die Computersimulation für das in Abb. 7 dargestellte System durchgeführt (alle Reiterwalzen auf IB2 in Funktion und IB5, IE2, IB4, IE1 sowie IB3 im Einsatz), ergibt sich ein Ungleichförmigkeitsgrad von η = 2,71%. Der höhere Wert – verglichen mit dem in Tabelle 3 dargestellten Bestwert – kommt dadurch zustande, dass die Auftragwalzen IB5, IB4 und IB3 keine Glättungswalzen besitzen. Es können also Rückwirkungen quasi sofort über diese Auftragwalzen kurzgeschlossen werden.

Eine Verschlechterung ist dann gegeben, wenn die Glättwalzen IC6 bis IC2 auf der Walze IB2, welche den Hauptanteil der Druckfarbe der Druckform zuführt (Vorderlastigkeit), entfernt werden. Es ergibt sich ein η = 4,09%.

Dieser Vergleich zeigt sehr anschaulich, dass die Einfärbequalität nicht etwa von der Anzahl der Farbwerkswalzen abhängt, sondern vom Konzept des Farbwerkes. Zur Wahl günstiger Konzepte wurden schon mehrfach Empfehlungen [7, 10, 11, 12, 15] gegeben.

6. Zusammenfassung

Die Computersimulation ist ein geeignetes Mittel, um Offsetfarbwerke zu optimieren bzw. unterschiedliche Farbwerkskonfigurationen vergleichend zu analysieren. Die Computersimulation liefert als Hauptergebnis den Verlauf der Farbschichtdicke auf dem Bedruckstoff. Mit Hilfe des Ungleichförmigkeitsgrades η kann dann eine Bewertung der Einfärbequalität erfolgen. Zusätzlich erhält man bei der Simulation die mittlere Farbschichtdicke über dem Bogen für jede Umdrehung. Durch entsprechende Steuerung der Simulation kann ein „farbfreies“ Farbwerk gestartet werden. Nach einer vorgegebenen Umdrehungszahl und nach Erreichen des Gleichgewichtszustandes wird die Farbzufuhr unterbrochen. Die Farbe wird quasi restlos verdruckt.

Die sich ergebende Hysterese entspricht der Abweichung zwischen der Kurve der Farbzunahme und der Farbabnahme. Dieses Hystereseverhalten ist für die Auslegung von regelungstechnischen Systemen für die Farbsteuerung von großer Bedeutung.

Es ist somit nicht gleichgültig, ob eine Schichtdickenerhöhung oder eine Erniedrigung vorgenommen wird. Es empfiehlt sich, für jedes Farbwerk ein entsprechendes Kennfeld oder einen Algorithmus für das regelungstechnische System zu entwickeln, damit die Makulatur minimiert werden kann.

Ferner kann durch den Einsatz von Trennstellen im Farbwerk eine zu starke Schichtdickenerhöhung beim Wiederanfahren nach einer Druckunterbrechung vermieden werden.

7. Literatur

1. Rech, H.:
„Untersuchung von rückwirkungsfreien Farbauftragsystemen im Offsetdruck“, BVD/FOGRA, Wiesbaden/München (1981)

2. Kaufmann, C.:
„Druckqualität und Farbfilmstärke auf Walzen und Form“, Polygraph 11 (1955)

„Untersuchungen zur Farbverteilung in Farbwerken von Rotationsmaschinen des Hoch- und Flachdruckes“, Diss. TH Karl-Marx-Stadt, Institut für Polygraphische und Papiermaschinen (1965)

„Farbmengen in Farbwerken von Druckmaschinen“, Diplomarbeit Nr. 110, TH Karl-Marx-Stadt

„Konstruktion und Berechnung polygraphischer Maschinen, Tiegel- und Flachformmaschinen“, Moskau und Leningrad (1949)

6. Rech, H.:
„Beiträge zur experimentellen und rechnerischen Untersuchung des Farbtransports in Walzenfarbwerken von Druckmaschinen“, Diss. TH Darmstadt (1971)

7. Rech, H.:
„Rechnergestützte Entwicklung von Farbwerken in Druckmaschinen“, Der Polygraph (1981)

8. Walter, W.G. Fetzko, J.M.:
„A Concept of Ink Transter in Printing“, American Ink Maker 33, (1955)

„Die Feuchtung im Offsetdruck“, Vortrag an der Technischen Akademie in Esslingen am 30.01.1984

10. Rech, H.:
„Möglichkeiten und Grenzen der rechnergestützten Analyse von Offsetfarbwerken, Teil I bis IV, druck-print 8, 9, 10, 11 (1984)

11. Rech, H.:
„Entwicklung eines neuen Farbwerksystems für den Kleinoffsetdruck“, BVD-Tagung 1980, Mannheim

12. Rech, H.:
„Optimierung von Farb- und Feuchtwerksystemen von Druckmaschinen“, Forschungsbericht Universität Hamburg 1985, FB 06, Institut 11

„Beiträge zur Optimierung von Walzenfarbwerken von Offsetdruckmaschinen unter besonderer Berücksichtigung der Verdunstung des Feuchtmittels. Dissertation“, Hochschule der Künste Berlin, 1993

14. Rech, H.:
Vortrag bei ADVANCES IN DIGITAL PRINTING, 20.-23.03.1996, Zürich

15. Kipphan, H.:
„Handbuch der Printmedien“, Kap. 2.1 und Kap. 13, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 2000

Die Georg-Agricola-Gesellschaft (GAG) ergänzt mit ihren Themen die Arbeit des IADM

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

Internationaler Arbeitskreis Druck- und Mediengeschichte e.V. (IADM)

Die Georg-Agricola-Gesellschaft zur Förderung der Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik e.V. (GAG) wurde im November 1926 anlässlich einer Sitzung des Vorstandsrates des Deutschen Museums in München gegründet und war ursprünglich dazu gedacht, die Finanzierung einer deutschen Neuauflage des Hauptwerkes von Georg Agricola (1494-1555) „De Re Metallica“ sicher zu stellen. Über die Jahre hinweg entwickelte sich daraus die deutsche Gesellschaft für Technikgeschichte schlechthin. Wie alle diesbezüglichen Gesellschaften leidet sie augenblicklich unter einem Mangel an Fördermitgliedern, was jedoch die Qualität ihrer Arbeit nicht negativ beeinflusst. GAG und IADM sind sich in ihren Zielsetzungen sehr ähnlich, was auch schon einmal zu einer Zusammenarbeit geführt hat.

Im Jahre 1997 fand diese Gemeinschaftsveranstaltung von GAG und IADM in den Räumen und in der Gastgeberrolle der Heidelberger Druckmaschinen AG statt, wobei das Thema „Von der Kalligraphie zum Direct Imaging“ auf dem Programm stand. Unser IADM-Mitglied Reinald Schröder hielt dabei einen viel beachteten Vortrag über „Von der Handpresse zur Rotationsdruckmaschine und zum Maschinensatz“. Weitere Themen waren: „Von der Handschrift zu den frühen Drucken“ (Schlechter), „Der Buchdruck in der frühen Neuzeit“ (Weigand), „Kulturgeschichte und soziale Veränderungen“ (Schönbeck), „Die Entwicklung des Druckmaschinenbaus in der BRD und der DDR“ (Klump) und „Offset- und Digitaldruck – Evolution oder Revolution in der graphischen Industrie? (Kipphan)“. All dies ist nachzulesen in den so genannten Silbergrauen Heften der GAG, im Band 23.

Die darauf folgende Jahrestagung der GAG 1998 in Köln widmete sich dem Weg zum modernen Papier. Dabei hielt das IADM-Mitglied Boris Fuchs einen Vortrag zum Thema: „Papier-Recycling und Umweltschutz aus historischer Sicht“. Die Jahrestagung 1999 folgte in Weinheim der Einladung der Carl Freudenberg AG zu deren 150jährigen Jubiläum und wählte als Tagungsthema: „Vom Leder zum Chemiewerkstoff“. Im Jahr 2000 lud die Schott Jena Glas AG zur Eröffnung ihres Werksmuseums die GAG nach Jena ein, wobei die Jahrestagung sich dem Thema: „Glas – Kunst. Technik, Wirtschaft“ widmete. Zum 75jährigen Gründungsjubiläum im Jahre 2001 kehrte die GAG an ihren Gründungsort, in die Ehrenhalle des Deutschen Museums, nach München zurück und wählte als Thema: „Kommunikation in Geschichte und Gegenwart“. Den für unser Fachgebiet interessantesten Vortrag hielt dabei Prof. Dr. Jürgen Wilke vom Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit dem Titel: „Entwicklungsstufen und Determinanten der Kommunikationsgeschichte“. Neben zahlreichen Vorträgen, die vornehmlich die Telephonie und die Funkentelegraphie betrafen, war der Vortrag von Dr. Raymund Werle vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln zum Thema: „20 Jahre Internet – Entwicklungspfad und Entwicklungsperspektiven“ für uns besonders ansprechend.

Die Jahrestagung 2002 ging nach Freiberg in Sachsen, wohin die Geschäftsstelle der GAG inzwischen umgezogen war (Institut für Wissenschafts- und Technikgeschichte der TU Bergakademie Freiberg). Das Tagungsthema lautete: „Recycling in Geschichte und Gegenwart“. Die diesjährige Jahrestagung am 12.-14. September 2003 fand wiederum einen großen Sponsor in der Person von Prof. Dr. h .c. Reinhold Würth und seiner Adolf Würth GmbH. in Künzelsau. Dem Produkt von Würth entsprechend, wurde als Titel der Tagung gewählt: „Schrauben, Fügen, Kleben – zur Entwicklung der Befestigungstechnik“. Unterstützt wurde das Ganze noch dadurch, dass Prof. Würth an seinem Unternehmenssitz ein Technikmuseum zu diesem Thema, neben einem Kunstmuseum und einer Kunsthalle unterhält. Da die Thematik auch für unser Fachgebiet einige interessante Aspekte enthielt, soll nachfolgend davon in Auszügen berichtet werden. Die Jahrestagungen 2004 und 2005 werden in Bremerhaven (3,-5. September 2003 im Deutschen Schifffahrtsmuseum) und Chemnitz (450. Todestag von Georg Agricola) stattfinden.

Der alljährlich von der GAG vergebene Nachwuchsförderpreis ging in diesem Jahr an den Belgier Dr. Bernd Andreas Fickers für seine Dissertation: “ Politique de la grandeur“ versus „Made in Germany“. Die Analyse der PAL-SECAM-Kontroverse wird darin als Beispiel einer politischen Kulturgeschichte der Technik behandelt. Er versuchte die Gründe für das Scheitern der Einigung auf einen gemeinsamen Farbfernseh-Standard 1966 in Oslo durch einen mehrdimensionalen Ansatz (Politik, Wirtschaft, Technik) zu ergründen.

Auf der technischen Seite war da der NTSC-Standard der Nordamerikaner, der als Basis-Innovation bereits seit 1953 bestanden hat, und auf der anderen Seite die Verbesserungs-Innovationen PAL und SECAM. Als Erfinder wurden Henri de France von der französischen ORTF für das SECAM-System und Walter Bruch von Telefunken-AEG für das PAL-System genannt. Die SECAM-Seite hob einen Mehrwert gegenüber PAL hervor, während die PAL-Seite SECAM als ein „gebasteltes System“ abzuqualifizieren versuchte. Auf eine politische Ebene gehoben wurde der Technikerstreit, als der französische Staatspräsident darin ein Mittel für die „Osterweiterung“ seiner politique de la grandeur sah. Charles de Gaulle sprach von SECAM als einer „carte de visite de la France“ und einer „concorde franco-russe“.

Auf der CCIR-Konferenz 1965 in Wien war noch eine Mehrheit für das SECAM-System festzustellen und NTSC galt als Alternative, doch auf der entscheidenden Oslo-Konferenz 1966 ergab sich eine Mehrheit für das PAL-System, während NTSC unter den Tisch fiel. Da Charles de Gaulle bereits den Ostblock für das SECAM-System gewonnen hatte, gab es jedoch keine Einigung auf das mehrheitlich gewählte System PAL.

Die Gründe für das Scheitern der Einigung auf einen einzigen Standard, dessen Mehrkosten am Ende der Endverbraucher zu tragen hatte, sah Dr. Fickers in der technischen Gleichwertigkeit aller drei Systeme und den starken wirtschaftlichen Interessen bei der Vermarktung der Lizenzen. Was die beiden Kontrahenten anbelangte, so waren auch die politischen Strukturen entscheidend: in Frankreich zentral ausgerichtet, in Deutschland föderalistisch. Zum Schluss zitierte er den Redakteur einer französischen Fachzeitschrift, der danach kommentierte: „Noch nie sah die Zukunft der Farbe so düster aus“.

Als nächster Referent sprach Priv.-Doz. Dr. Rüdiger Krause vom Amt für Denkmalspflege in Stuttgart über. „Zum Gewinde in der Antike – technische Errungenschaften oder Finesse?“ Die Schrauben- oder Spiralstruktur, die bereits von der Natur in vielfacher Weise (Torsionen) vorgegeben ist, wurde bereits in der Bronzezeit vor über 4000 Jahren als einfaches Zierelement vor allem an Kleidungsstücken und Schmuck (Zwiebelknopffibeln), aber auch an Geräten und Waffen verwendet. Als Urvater der Anwendung der Schraube im technischen Bereich gilt der griechische Mathematiker Archimedes (287 – 12 n. Chr.) aus Syrakus, doch ist ihm wahrscheinlich nur die mathematische Umsetzung von bereits bestehenden Wasserschrauben zu verdanken, die er bei einem Besuch in Ägypten gesehen hatte.

Der römische Architekt Vitruv beschäftigte sich im letzten Jahrhundert v. Chr. mit der Konstruktion der Schraubenform und Heron von Alexandria entwickelte um die gleiche Zeit damit verschiedene Instrumente, wie die „Dioptra“ (optisches Vermessungsinstrument) und das „Hedometer“ (Wegstreckenmesser). Plinius der Ältere beschrieb ihre Anwendung in der Landwirtschaft (Olivenölpresse und Weinpresse). In der Medizintechnik trat die Schraube als Spannelement bei Operationen bereits im 4. Jhd. n. Chr. auf. Lange Zeit fiel sie in Vergessenheit, sodass Leonardo da Vinci (1452-1519) als der Wiederentdecker der Schraube bezeichnet wurde – die Schraube in der Renaissancezeit eine Renaissance erfuhr.

Als weitere Stationen der Schraube nannte Dr. Krause die Verschraubungen an der eisernen Hand des Ritters Götz von Berlichingen und das Vortragskreuz der Benediktinermönche im Stift Melk an der Donau, an dem ein Reliquienbehälter mit einer Schraube befestigt und verschlossen wurde. Schließlich war es ein großer Fortschritt gegenüber der chinesischen und koreanischen Druckpraxis, als Johannes Gutenberg die hölzerne Schraube bei seiner Druckpresse einsetzte, während erstere sich mit der wesentlich langsameren und ungenauen Abreibetechnik abmühen mussten.

Dr. Hartmut Knittel vom Landesmuseum für Technik und Arbeit Mannheim referierte danach über „Die Bedeutung der Schraube für die Industrialisierung“. Er legte dabei den Schwerpunkt auf das 19. und 20. Jhd. und wies nach, dass der Übergang von der Holzschraube zur Metallschraube mehr durch das Vermessungswesen, als vom Maschinenbau bestimmt wurde. Dort stellte man nämlich die größten Anforderungen an die Präzision (Nivellierschrauben an Theodoliten). Ebenso hohe Anforderungen wurden an die Okular-Schrauben von Mikroskopen gestellt. Normung und Standardisierung waren schließlich die Voraussetzung für die Massenfertigung von Waffen, wie sie der Krim-Krieg und der amerikanische Bürgerkrieg forderten.

Ganz spezielle Anforderungen an Schrauben stellte die Hochdruck-Chemie bei der Ammoniaksynthese (Haber-Bosch-Verfahren), was wiederum für die Kriegsführung entscheidend war. Mit Äthylenkompressoren waren schließlich Drücke von über 2000 bar mittels Schrauben abzudichten. Dr. Knittel ging deshalb noch auf die Sicherheitsaspekte ein (Dampfkessel-Überwachungsvereine) und stellte heraus, dass bei den Großexplosionen der Chemieindustrie in der Vergangenheit nie die Festigkeit der Schrauben schuld war, sondern die mangelnden Kenntnisse über die Stoffreaktionen. Zum Schluss führte Dr. Knittel an, dass man trotz der Konkurrenz durch Nieten, Schweißen, Löten, Kleben und Klipps den Vorteil von Schrauben in jüngster Zeit wieder erkannt hat, wenn Schwebebahnen heute nicht mehr genietet, sondern geschraubt werden, und in der modernen Knochen-Chirurgie die Schraube ihre segensreiche Wirkung vollbringt.

Dr. Günther Laxbacher von der Max-Planck-Gesellschaft für Wissenschaftstechnik in Berlin sprach über: „Die Rolle der Fügetechnik in der Genese der industriellen Massenproduktion“, wobei es ihm mehr um die Einordnung der Fügetechnik in die übrigen Verrichtungen der Produktionstechnik ging. In der Diskussion wurde gefragt, ob das Papiermachen als eine Fügetechnik einzuordnen sei, was Dr. Laxbacher verneinte, ebenso wie die Drucktechnik nicht als eine Fügetechnik angesehen werden könne.

Dr. Jürgen Bönig, Leiter der Abteilung graphisches Gewerbe beim Museum der Arbeit in Hamburg, widmete sich dem Thema: „Gewachsenes und Unbestimmtes. Von den Schwierigkeiten der Mechanisierung in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie“. Es handelte sich dabei um einen Teil seiner Dissertation mit dem Titel: „Die Einführung der Fließbandproduktion in Deutschland bis 1933“, die in zwei Bänden unter dem gleichen Titel im LIT-Verlag, Hamburg und Münster, erschienen ist. Der Teil, den er vortrug, konnte allerdings bei der Drucklegung aus Platzgründen nicht untergebracht werden. Im Museum wird jedoch das Thema an einer Fischentgrätungsmaschine von 1933 behandelt.

Bei der Verarbeitung in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie geht es hauptsächlich um Tätigkeiten, die Frauen früher zuhause verrichteten – und dies mit einfachen Werkzeugen. Die Wertschätzung dieser Arbeit erhalte deshalb in der von Männern geschriebenen Technikgeschichte nicht den ihr zustehenden Stellenrang.

Eine zweite Schwierigkeit ergebe sich durch das „Gewachsene“, z. Bsp. durch die Erfahrungen der Automatisierung in der Automobilindustrie. Dr. Bönig sprach hier von „biegeschlaffen Teilen“ die den soliden Teilen in der Metallverarbeitung zuwider laufen. Dabei traten die ersten Fließbandarbeiten in den Getreidemühlen auf – zunächst in einem diskontinuierlichen, Ende des 19. Jhd. jedoch zunehmend in einem kontinuierlichen Prozess.

Die Zuckerherstellung, die Kekse des Herrn Balzen und die Tee- und Kaffeerösterei sind weitere Stationen auf dem Entwicklungsweg der Fließbandproduktion, wobei das Erreichen eines bestimmten Geschmacks immer noch das Wissen des Menschen gebraucht wird. Schließlich war es der Schlachthof von Chicago, der Henry Ford das Vorbild für seine Kraftwagen-Montagelinien gab.

Mit weiteren Beispielen aus der Fisch- und Zigarettenindustrie beschloss Dr. Bönig seinen Vortrag und stellte in Frage, ob wirklich nur deshalb eine Arbeit für die Fließbandproduktion geeignet ist, weil sie davor von Frauen gemacht wurde, Es komme schließlich etwas anders dabei heraus.

Die letzten beiden Vorträge hielten Katrin Cura, Biologie- und Chemie-Lehrerin am Wirtschafts-Gymnasium in Hamburg zum Thema: „Die Entwicklung der Holzklebstoffe“ und Prof. Dr. Eike Lehmann, Leiter des Instituts für Schiffbau an der TU Hamburg-Harburg über: „Nieten und Schweißen im Schiffbau“. Da diese keine Relevanz zu unserem Fachgebiet haben, wollen wir es bei der Nennung der Themen bewenden lassen.

Interessenten für die Silbergrauen Hefte der GAG und die Arbeit der GAG allgemein können sich an die Geschäftsstelle der Georg-Agricola-Gesellschaft (Geschäftsführer Dr. Roland Ladwig) am Institut für Wissenschafts- und Technikgeschichte der TU Bergakademie Freiberg, 09595 Freiberg:

Internet: www.georg-agricola-gesellschaft.de
E-Mail: Roland.Ladwig@georg-agricola-gesellschaft.de

Der Formulardruck aus historischer Sicht

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

Die Jahrestagung 2003 des IADM im Hamburger Museum der Arbeit

Der IADM (Internationaler Arbeitskreis Druck- und Mediengeschichte e.V., Leipzig) widmet sich in jedem Jahr einem anderen Thema. Im letzten Jahr war es der maschinelle Bleisatz, im Jahr davor die Druckfarben von Alchemie bis Hightech, und in diesem Jahr waren es die Akzidenzdrucksachen für Handel und Gewerbe, was sich in der Handelsstadt Hamburg anbot. Den Tagungsort stellte das Museum der Arbeit in HH-Barmbek, wo eine gut ausgestattete Druck-Abteilung die Erklärung am Objekt erleichterte. Dr. Harry Neß, der Vorsitzende des IADM, konnte für den einleitenden Übersichtsvortrag mit Dr. Georg Vogeler von der Ludwig-Maximilians-Universität München einen hervorragenden Kenner der Materie einführen, der sein Referat unter das Thema „Der Text als Bild – Verwaltungsrationalisierung mit Hilfe von Formularen seit dem Mittelalter“ stellte.

Die Ablassbriefe waren die ersten Formulare

Dr. Vogeler sieht bereits in den Handschriften des 4. Jhd. die Vorgänger der heutigen Formulare, indem die Schreiber bestimmte Textblöcke für den Anfang (Im Namen des …) und das Ende der Schriftstücke (Segensgruß) immer wieder verwendeten. Es wurde denn auch schon früh das Wort „Forma“ und „Formularium“ für diese Rahmenformulierungen und Textbausteine geschaffen. Im 11.Jhd. entstanden zur ordnungsgemäßen Verwendung der verschiedenen Formen ganze Formular-Bücher, um „Formfehler“ zu vermeiden. Erst ab der Regierungszeit von Karl IV setzte man voraus, dass der Beamte weiß, wie man richtig schreibt, weshalb man sich auf die „Ars notariae“, Lehrbücher des Schreibens und Diktierens, beschränkte.

Mit der Erfindung der Buchdruckkunst wurden die Formulare in gedruckter Weise fortgeführt, wobei die bekannten Ablassbriefe von 1454 die ersten Produkte dieser Art darstellten. Sie druckte man in Auflagen von 2000 bis 6000 Stück, wobei der Ablassverkäufer vor Ort den Namen des Käufers, das Vergehen und die Geldbuße eintrug. Auch verschiedene Verwaltungszwänge, Einladungen zu Festen und Vorladungen vor Gericht erforderten gedruckte Formulare. Ende des 16. Jhd. weitete sich das Formularwesen immer mehr auf Handel und Gewerbe aus: Quittungen, Genehmigungen, Erfassung steuerpflichtiger Güter. Im 18. Jhd. kamen erstmals Briefköpfe auf. Es entstanden Freilassungsurkunden für Bauern und Bestallungsbriefe für Beamte.

In der napoleonischen Zeit setzte eine wahre Flut von Fragebögen und Formulare zur Vermögenserfassung von kirchlichen Gütern ein. Auch änderten sich die Formulare sehr schnell, wie es der preußische Verwaltungsbriefkopf zeigt, der von Napoleon abgeschafft und dann gleich wieder eingeführt wurde. In der zweiten Hälfte des 18. Jhd. erkannte man neben der Verwaltungsvereinfachung den Vorteil der Informationsaufnahme durch Formulare. Offene Stellen in Steuerbüchern wiesen sofort auf säumige Zahler hin. Das Erfassen von Zahlen in Tabellenform kam erst mit Einführung der arabischen Zahlen Ende des 16. Jhd. zustande. In der Seitengestaltung konnte man noch keine Linien drucken, sondern zog diese von Hand.

Die Mode, Statistiken zu erstellen, trat erst im 18. Jhd. auf, nachdem Leibniz sogar vorgeschlagen hatte, alles Wissen über den Staat in Tabellenform den Bürgern bekannt zu machen. Ende des 18. Jhd. führte die Obrigkeit die Eingabepflicht ein und sah spezielle Spalten in Formularen vor, die nur von den Beamten auszufüllen waren. Ab 1860 wurden die Formulare sehr farbenprächtig, nachdem sie im lithographischen Druckverfahren erstellt werden konnten. Das Aussehen der Formulare spielte eine wichtige Rolle von Anfang an, um den Hoheitscharakter der Schriftstücke zum Ausdruck zu bringen.

Vom Druck der Formulare zur virtuellen Dokumentation

Detlef Giesler vom Paul Albrechts Verlag in Lütjensee hatte es übernommen, den modernen Formulardruck zu präsentieren, wobei er sich zum Teil auf das vom Bundesverband Druck und Medien (bvdm) herausgegebene und von Frau Ingrid Toebe-Albrecht verfasste Buch „Die Gestaltung verständlicher Formulare“ bezog. Ergänzt wurde sein Vortrag durch die Ausstellung der Siegerdruckmuster des 12. Wettbewerbs Formulare und Geschäftspapiere 2003 des bvdm, die anschließend Silvia Werfel vorstellte.

Als Formularfunktionen nannte Detlef Giesler die Verringerung der Schreibarbeit, die Reduzierung der Lese- und Bearbeitungszeit durch Hervorheben des variablen Teils und die Fehlervermeidung durch logische Anordnung aller Inhalte. Leider werden dabei immer noch grundlegende Fehler gemacht, weshalb der Wettbewerb diese vermeiden helfen soll. So zitierte er den Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, der einmal gesagt haben soll: „Tut mir leid, aber meine Stromrechnung kann ich nicht lesen“. Auch amtliche Formulare, wie bestimmte Steuererklärungen bilden bei der mangelhaften Gestaltung der Formulare keine Ausnahme. Dazu zählt das stupide, wiederholte Eintragen von persönlichen Daten, die längst beim Amt vorliegen.

Als Kriterien der Formulargestaltung nannte er die Sprache, die Gliederung, die typografische Gestaltung, die farbliche Anmutung, die Lesbarkeit, die organisatorische Effizienz, die Werbewirksamkeit und die technische Ausführung. Bei den Geschäftspapieren kommen noch die Kreativität, die kommunikative Qualität und die Praxistauglichkeit hinzu. Nach diesen Kriterien werden auch die alle 2 Jahre durchgeführten Wettbewerbe des bvdm bewertet.

Zum Schluss kam er auf die Sicherstellung der Echtheit der Eintragungen zu sprechen, die heute durch den Einbau von passiven Chips mit Antenne in die Formulare erreicht werden kann. Auch lassen sich viele Formulare über das Internet mit EDIFACT und anderen Verschlüsselungen übertragen, wodurch eine virtuelle Dokumentation zustande kommt.

Akzidenzdruck bei Joh. Enschedé und bei C.H. Wöll

Johan de Zoete, Kustode des Enschedé-Museum in Haarlem bei Amsterdam, NL, ließ zunächst die 300jährige Geschichte dieses berühmten Druckhauses Revue passieren (gegr. 1703 von Izaac Enschedé, 1737 Herausgabe einer Zeitung, 1770 Gründung einer Schriftgießerei, 1790 Druck von Wertpapieren, 1814 von Banknoten und 1866 von Briefmarken). Das Druckerei-Archiv von Joh. Enschedé umfasst in über 80 Bänden zahlreiche Druckereiverwaltungs-Dokumente und Druckmuster der Jahre 1762-1922, ab 1816 vollständig, und stellt damit einen wahren Schatz für Forschungen auf diesem Gebiet dar.

In einem abgeschlossenen Kellerraum fand man vor einigen Jahren 1200 Briefumschläge mit Druckmustern und 4 große Paletten mit dicken Mappen, die die Jahre 1933-1955 umfassen. Alles, was zu dieser Zeit bei Joh. Enschedé gedruckt wurde, ist damit noch mit mindestens einem Druckmuster erhalten und mit allen wichtigen Auftragsdaten versehen. Da viele Muster in gebundener Form vorliegen, ist die konservatorische Arbeit eine enorme, die jedoch für die Nachwelt erbracht wird. Bis jetzt hat man 5794 Beschreibungen der Druckmuster mittels PC erfasst, doch ein Großteil steht noch aus. Darunter sind 1180 Geschäftspapiere und 245 Formulare, von denen Johan de Zoete einige vorführte. Erstaunlich war dabei festzustellen, welch großen Wert man schon damals auf eine gute Gestaltung und Druckqualität legte. Als Druckverfahren wurden der Buchdruck, die Lithographie, der Tiefdruck und der Prägedruck eingesetzt.

Dr. Jürgen Bönig, Leiter der Druck-Abteilung im Museum der Arbeit, gab einen Überblick über die Akzidenzdruckereien der Stadt Hamburg im 18. und 19. Jhd., die mit der Eröffnung des Freihafens 1888 einen Boom erlebten, da alle gehandelten Waren mit verschiedenen Papieren (Frachtbriefen, Formulare, Zettel etc.) begleitet werden mussten. So gab es 1896 in Hamburg 78 im Buchdruck arbeitende Akzidenzdruckereien, denen 21 Zeitungsdruckereien und 15 Litho-Anstalten gegenüber standen. Eine dieser Akzidenzdruckereien war die von C.H. Wöll, 1857 gegründete, die er besonders herausstellte, da sie sich auf Frachtpapiere für Reedereien spezialisierte. Die Druckerei befand sich direkt am Hafen, was die Akquisition erleichterte.

Um die soziale Situation der damaligen Zeit zu beleuchten, zeigte Dr. Bönig ein zeitgenössisches Foto, das die Anlegerinnen an den Schnellpressen zeigt und davor ein kleines Mädchen, das die Papierbogen herbeischleppt, während der männliche Drucker als Aufseher daneben steht.

C.H. Wöll führte schon früh die Durchschreibesätze ein, die das umständliche, die Finger beschmutzende Zwischenlegen von Kohlepapier vermied. Da nicht alle Adressaten alle Daten erhalten durften, wurde die Kohlerückseite bei manchen Durchschlägen ausgespart, was eine spezielle Beschichtungstechnik erforderlich machte. C.H. Wöll setzte auch schon früh Liniermaschinen ein, um eine saubere Kolonnenbildung auf den Frachtpapieren sicherzustellen. Eine weitere Spezialität betraf die Lagerhaltung der georderten Papiere, was zur Kundenbindung beitrug. Im Krieg wurde die Druckerei zerstört und an der gleichen Stelle nicht wieder aufgebaut.

Den Abschluss der Tagung bildete eine Exkursion zur „Winckeldruckerey“ des Willy Drucker im Hans-Hergot-Turm (ehemaliger Wasserturm) in Uelzen – ein Leckerbissen für alle am historischen Druck Interessierte. Die mittelalterliche Bezeichnung Winckeldruckerey war um 1570 für Druckereien gebräuchlich, die „ohne Zensur die Buchdruckerkunst zu allerhand unerlaubten Schriften missbrauchten“, und Hans Hergot war ein Nürnberger Drucker, der 1527 wegen einer, der Obrigkeit mißfallenden Schrift für eine gerechtere Welt in Leipzig hingerichtet wurde. Willyi Drucker stellt in dem von ihm erworbenen Wasserturm auf historischen Schnellpressen mittels Bleisatz noch heute solche Streitschriften für eine bessere Welt her und benutzt dazu wohl im Gedenken an Hans Hergot den Buchdruck, obwohl die moderne Kopiertechnik ihm die Arbeit erleichtern würde.

50 Jahre IDD aus eigenem Erleben

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

Festvortrag zum Festakt am 7. November 2003 zum fünzigjährigem Jubiläum des Instituts für Druckmaschinen und Druckverfahren (IDD) an der Technischen Universität Darmstadt

Die Ehre, den Festvortrag halten zu dürfen, verdanke ich wohl der biologischen Gegebenheit, dass ich bei der Institutsgründung 1953 gerade mein Studium an der Technischen Hochschule Darmstadt begann und somit damals jung genug war, die 50 Jahre im gerade noch Vollbesitz meiner geistigen Kräfte – ich wurde im letzten Monat 70 Jahre alt – miterleben zu können, um heute und hier darüber zu berichten.

Allerdings kann ich die Anfangszeit nur aus der Froschperspektive eines Studienanfängers wiedergeben, weshalb mein Vortrag mehr von persönlichen Eindrücken als von den strategischen Überlegungen der damaligen Entscheidungsträger geprägt sein wird.

Um die Situation im Umfeld des zu gründenden Institutes näher zu beleuchten, hole ich etwas aus.

Als ich im Frühjahr 1953 das Abitur am Frankenthaler Gymnasium ablegte, zählte unser Jahrgang gerade mal 20 Absolventen. Davon waren 7 Fahrschüler, die bei einem Vergleich mit späteren Zahlen abzuziehen sind, denn das Hinterland von Frankenthal wurde in der Zwischenzeit auch mit Vollgymnasien gesegnet. Die Zahl reduziert sich damit auf 13. Der standen in den 1990er Jahren an den auf zwei erweiterten Frankenthaler Gymnasien je Jahrgang 300 Abiturienten gegenüber – eine Steigerung also um mehr als das Zwanzigfache. Die Einwohnerzahl von Frankenthal stieg aber in diesem Zeitraum um höchstens 20%, wenn man die Eingemeindungen abzieht.

Wir glaubten also zu einer Elite zu gehören, als wir im Herbst 1953 nach Absolvierung eines halbjährigen Industriepraktikums zum Studium in Darmstadt antraten. Trotzdem hatten wir die Zugangsberechtigung mit einer Aufnahmeprüfung und einer Durchfallquote von 50%, wie man uns vorher sagte, zu bestehen, denn das Land Hessen gewährte als einziges Bundesland seinen Bürgern eine Befreiung vom Studiengeld, mit der Konsequenz, dass alle Hessen zum Studium im Lande blieben und für die Auswärtigen kaum Platz übrig blieb.

Die Technische Hochschule Darmstadt zählte damals rund 3 200 Studierende – diese Zahl stieg in den 1990er Jahren bis auf 18 400 an. Die hier dargelegten numerischen Vergleiche von Gymnasium und Hochschule mögen die Bildungsexplosion verdeutlichen, der das Land in den letzten Jahren ausgesetzt war, bei der jedoch verständlicherweise die Qualität mit der Quantität nicht immer Schritt halten konnte.

Der Hochschulbetrieb litt 1953 noch stark unter Raumnot, denn der Raumbedarf konnte nur zu 50% gedeckt werden, da viele Gebäude durch Kriegseinwirkung zerstört oder nur notdürftig wieder hergerichtet worden waren. So bekam jeder Studienanfänger für die Massen-Vorlesungen in Mathematik, Physik und Chemie im großen Hörsaal des Zintl-Institutes wöchentlich einen Gutschein, der ihm wenigstens ein Mal in der Woche einen Sitzplatz zusicherte. Die Übrigen mussten auf den Stufen oder auf dem Boden der Seitengänge Platz nehmen. Es gab damals noch keine vervielfältigten Skripten. Alles was der Professor sagte und zum Teil mit Kreide auf der Wandtafel notierte, musste peinlich genau mitgeschrieben werden. Mancher Professor mag sich damals wie Platon im alten Griechenland vorgekommen sein, dessen Schüler auch um ihn herum auf dem Boden kauerten.

Unter den Studierenden gab es viele Kriegsteilnehmer und Spätheimkehrer aus Kriegsgefangenschaft. Die Altersspanne in den einzelnen Studienjahrgängen war deshalb sehr breit gefächert. Die Mehrzahl der Studenten mussten als so genannte Werksstudenten ihren Lebensunterhalt in den Semesterferien mit Hilfsarbeitertätig-keiten in der Industrie verdienen – so auch ich – denn Bafög gab es erst ab dem Studienjahr 1956/57. Eine Studenten-Bude kostete damals 35-40 DM, das Heizmaterial brachte man im Schuhkarton von zuhause mit. Bedürftige bekamen von Darmstädter Firmen in ihren Kantinen einen Mittagstisch zur Verfügung gestellt. Bei mir war es das Darmstädter Tageblatt. In ewiger Dankbarkeit habe ich wohl deshalb in späteren Jahren einem Forschungsinstitut für Zeitungstechnik gedient.

Der Anteil an weiblichen Studenten betrug weniger als 2 % und beschränkte sich auf einige Architektur-Studentinnen und Biologinnen, was sich bei Hochschulfesten stets als ein großes Manko erwies. Der ASTA schuf schließlich Abhilfe, indem er aus den Dolmetscher-Instituten (DI) von Heidelberg und Germersheim, wo das Verhältnis gerade umgekehrt lag, Studentinnen mit Omnibussen ankarren ließ. Hochschulfeste in der gerade errichteten Otto-Berndt-Halle gewannen dadurch erst den gewünschten Reiz.

Die Hochstimmung bei einem dieser Feste inspirierte einmal einige Studenten dazu, um Mitternacht vor das Darmstädter Finanzamt zu ziehen und mit Hilfe einer nahe gelegenen Baustelle das Portal des Finanzamtes zuzumauern. Ein Schild mit der Aufschrift „Stein gewordene Volksmeinung“ zierte das studentische Mauerwerk. Als am Montagmorgen die Feuerwehr das Portal aufbrechen musste, traten aus der Menge von Schaulustigen zwei schwarz gekleidete Studenten hervor und stellten wortlos einen Kasten Bier für die Feuerwehrleute auf den Boden. Über solche Studentenscherze konnte noch ganz Darmstadt lachen.

Einen schwarzen Anzug musste übrigens damals jeder Student im Schrank hängen haben – notfalls tat es der abgeänderte Konfirmandenanzug oder der Hochzeitsrock des Vaters – denn zu den Prüfungen hatte man obligatorisch in Schwarz mit silbergrauer Krawatte zu erscheinen. Dem entsprechend feierlich ging es bei den alljährlichen Rektoratsübergaben zu. Auch die Professoren und geladenen Gäste kamen alle in Schwarz und der Bauhaus-Architekt Professor Ernst Neufert fiel nur dadurch unter seinen rund 100 Kollegen auf, weil er sein weißes Einstecktuch besonders üppig in der Brusttasche seines Jacketts drapiert hatte.

Ob dieser vornehmen Feierlichkeit stürzte sogar einmal ein ASTA-Vorsitzender ohnmächtig vom Rednerpult, sodass ihn die im Halbkreis um das Podium sitzenden Professoren aufheben und hinaus tragen mussten. Welch ein Kontrast zu einer Rektoratsübergabe Mitte der 1970er Jahre, bei der ich zugegen war und bei der der ASTA-Vorsitzende im Rollkragenpullover rüde vom Rednerpult herunter auf die Professorenschaft schimpfte, während die geladenen Emeriti im Saal herumirrten, um zwischen den johlenden Studenten einen Sitzplatz zu finden.

Dieses Stimmungsbild und die Vergleiche mögen genügen, um Ihnen die damalige Situation in Erinnerung zu rufen oder den Jüngeren kund zu tun.

Die traditionsreiche deutsche Druckmaschinenindustrie hatte nach dem verheerenden Krieg erneut Fuß gefasst und ihr Selbstbewusstsein wiedererlangt, und ging 1950 sogar daran, eine internationale Messe aufzubauen, die später alle anderen Messen der Druck & Papier-Branche überstrahlende „Drupa“. Nach diesem Erfolg regten sich in der Industrie erste Stimmen, man müsse auch etwas für den Ingenieurnachwuchs in der Branche tun.

Zwar gab es schon seit 1931 an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg ein Forschungsinstitut für das graphische Gewerbe, doch Berlin war Frontstadt der vier Siegermächte und ein Neubeginn der Forschungsaktivitäten dieses Institutes unter Professor Albrecht war in München 1951 als FOGRA für das Druckgewerbe und nicht für den Druckmaschinenbau ins Leben gerufen worden. Auch fehlten dort die Einrichtungen für eine Lehrtätigkeit.

So suchte man sich die Technische Hochschule Darmstadt zur Gründung eines Institutes für Druckmaschinen und Druckverfahren, kurz IDD genannt, aus, denn hier konnte man schon seit dem Jahre 1905 die Maschinen und Verfahren der Papierherstellung studieren, was einen Synergieeffekt versprach. Bestimmt haben auch die Verbindungen von Dr. med. Dr.-Ing. h. c. Wilhelm Köhler, Geschäftsführender Gesellschafter der Maschinenfabrik Goebel GmbH mitgeholfen, der damals schon Vorsitzender des Vereins der Freunde der TH Darmstadt war und nach dem die Aula im alten Verwaltungsgebäude an der Hochschulstraße noch zu seinen Lebzeiten benannt wurde.

Es kam so am 15. September 1952 zur Einrichtung einer Diätendozentur für die Fachrichtung Druckmaschinen und Druckverfahren in der Fakultät Maschinenbau, die man dem im Druckmaschinenbau versierten Betriebsingenieur Dr. rer. pol. Wolfram Eschenbach übertrug. Der gebürtige Rosenheimer war schon in den 1920er Jahren Betriebsassistent des legendären Dr. Steuer bei der Schnellpressenfabrik Frankenthal, Albert & Cie., und stieg in den 1930er und 1940er Jahren zum Oberingenieur und Betriebsdirektor der VOMAG in Plauen im Vogtland auf. Der Erste, der ihm beim Aufbau eines Institutsbetriebes half, war mein Freund Rudolf Uhrig. Dieser hatte bereits 1952 mit dem Studium in Darmstadt begonnen. Er mag jedoch nicht im Rampenlicht stehen, sonst müsste eigentlich er hier den Festvortrag halten. Und noch vorher, das erfuhr ich erst kürzlich, hat Dr.-Ing. Engelberth Muth als Ferienhelfer bei der Koenig & Bauer AG, in Würzburg die Buchdruckrotation aus dem Jahre 1906 mit herrichten geholfen, die dann den Grundstock des Maschinenlabors des IDD bildete.

Am 10. Oktober 1953 folgte die Einweihung und Eröffnung des Institutes. Der Eingang befand sich damals noch im zweiten Torbogen des Hinterhauses der ehemaligen Kaserne an der Dieburger Straße. Über eine steile Holztreppe erreichte man die beiden oberen Stockwerke, die Maschinenhalle im Erdgeschoss über einen Podest. Der östliche Anbau mit dem steinernen Treppenhaus bestand damals noch nicht. Aus dem Dozenten wurde 1956 ein außerplanmäßiger Professor, 1959 ein außerordentlicher und 1964 ein ordentlicher. Die akademischen Grade musste man sich damals noch in kleinen Schritten erdienen.

Um dem besonderen Charakter der Fachrichtung auch im Gesellschaftlichen eine Entsprechung zu geben, wurde am 6. Juni 1955 der Verein Darmstädter Druckingenieure, kurz VDD geschrieben, nach dem Vorbild des Akademischen Papiermacher-Vereins APV gegründet, was den Gedankenaustausch zwischen den Studierenden und den bereits in der Praxis tätigen Ingenieuren förderte, ohne die Rituale einer Verbindung mit aufnehmen zu müssen. Der VDD organisierte zusammen mit dem IDD Exkursionen und Colloquien und unterstützte damit auch das Lehrangebot des IDD. Als später mehrere Hochschulen für das Studium der grafischen Technik zur Verfügung standen – zur Zeit der Gründung des IDD gab es nur eine Entsprechung in Moskau und eine bei Philadelphia in USA – , nannte sich der VDD 1973 in Verein Deutscher Druckingenieure um und öffnete sich auch „Nicht-Darmstädtern“.

Die Initiatoren der Institutsgründung 1953, das waren die damaligen Spitzen der deutschen Druckmaschinenindustrie, die für die Einrichtung und den teilweisen Unterhalt des Institutes mit ihren Firmen auch finanziell aufzukommen versprachen. Das Datum der Institutseröffnung hatte man bewusst so gewählt, damit es mit dem 50-jährigen Bestehen der VDMA-Fachgemeinschaft Druck- und Papiermaschinen in Frankfurt-Main-Niederrad und des ihr vorausgehenden Vereins Deutscher Druckmaschinenfabriken in Würzburg, der sich übrigens auch „VDD“ nannte, zusammen fiel. Wenn das stimmt, feiert diese Gemeinschaft heute ihr 100-jähriges Jubiläum.

(Vom Manuskript abweichend, will ich Ihnen dazu eine kurze Anekdote zum Besten geben: Beim 90. Geburtstag von Dr. Bolza, von dem noch die Rede sein wird, erwähnte Huber H.A. Sternberg in einer launigen Rede, dass er sich im Jahre 1925 bei eben diesem Verein Deutscher Druckmaschinenfabriken in Würzburg als neuer Geschäftsführer der Schnellpressenfabrik Heidelberg vorstellte und vom Vorsitzen-den des VDD, Herrn Rockstroh, Besitzer der angesehenen Druckmaschinenfabrik Rockstroh in Heidenau bei Dresden, im sächsischen Dialekt zur Antwort bekam: „Ja gibt’s denn die och noch?“. Von Rockstroh spricht heute niemand mehr. Das mag uns die Vergänglichkeit selbst großer Unternehmen unserer Branche verdeutlichen und das alte Sprichwort bestätigen, dass Totgesagte länger leben).

Was die Forschungsseite bei der Aufgabenstellung des Institutes anbelangt, so hatte man damals ein anderes Verständnis von Forschung als es heute der Fall ist. Das beweist schon die Einrichtung des Maschinenlabors, wo u.a. eine ausgediente Buchdruckrotation aus der Jahrhundertwende von 1900 aufgestellt wurde, da diese zum Forschen allemal gut genug sei. „Nun forscht mal schön!“, war der gut gemeinte Rat der Gründungsväter.

Professor Eschenbach hatte es bei dieser Einstellung nicht leicht, ein schlüssiges Forschungskonzept durchzusetzen. Bei aktuellen Fragestellungen wurde argwöhnisch darüber gewacht, dass keine der Gründungsfirmen durch die Gemeinschaftsforschung bevorzugt oder gar durch Aufdecken von Schwachstellen benachteiligt wurde. Uns Studenten ist damals kolportiert worden, einer der Gründerväter habe einmal in einer Kuratoriumssitzung im pfälzischen Dialekt gesagt: „Ich glab, die Junge wolle garnit wie mir wolle – ja nennt mer das noch Wisseschaft?“

Auch bei der Bereitstellung von Lehrmaterial zeigte man sich aus überängstlichen Geheimhaltungsgründen sehr engherzig. Professor Eschenbach musste deshalb bei seinen Vorlesungen auf kinematische Prinzipskizzen der aktuellen, in Deutschland gefertigten Druckmaschinen zurückgreifen, die er aus einem russischen Lehrbuch kopiert hatte. Dort hatte man offensichtlich einen leichteren Zugang zu diesen Unterlagen gefunden, indem man exportierte Maschinen in ihre Einzelteile zerlegte, um ihre Funktion zu ergründen.

Dieses Verhalten änderte sich erst mit Gründung der Forschungsgesellschaft Druckmaschinen e.V. im Jahre 1955 unter der Geschäftsführung von Dr. jur. Paul Seißer und seines ihm ab 1960 nachfolgenden Sohnes, Dr. rer. pol Rolf Seißer. Fachleute kamen dadurch in den Technischen Beirat, die in der Forschung einen Nutzen und nicht ein verbrämendes Beiwerk sahen. Trotzdem waren der Angewandten Forschung in der Gemeinschaft Grenzen gesetzt, weshalb man sich vornehmlich auf grundlagenforscherische Themen beschränkte. Eine der ersten Arbeiten betraf die Ergründung des Farbübertragungsprozesses und der Druckverteilung in der Druckzone, was zur Dissertation und Habilitationsschrift des damaligen Hauptassistenten führte und ganze 10 Jahre in Anspruch nahm.

In seinen Vorlesungen vermittelte Professor Eschenbach seinen Studenten hauptsächlich ein praktisches Konstrukteurwissen. Er zeichnete dabei oft komplizierte Getriebeschemata auf die Wandtafel und gab für jedes Zahnrad den Teilkreis, die Zähnezahl und den zugehörigen Modul an. Die damals gängige Meinung sah in solchen Konstruktions-Beispielen das beste Mittel, um technische Wissen weiterzugeben. So hat mir auch mein Vater über seinen frühen Tod hinaus sein Konstruktionsbuch vererbt, in dem er alle von ihm konstruierten Druckmaschinen in Skizzen und Daten festhielt, damit ich es einmal leichter habe, wenn ich in seine Fußstapfen trete. Der rasche technische Fortschritt und die geänderten Aufgaben ließen diese Dokumentation jedoch schneller veraltern, als man sie umsetzen konnte.

In meiner Erinnerung lebt Professor Eschenbach als ein äußerst gütiger Lehrmeister fort, der ständig die Nähe zu seinen Studenten suchte, um ihnen seine praktischen Erfahrungen mit auf den Weg zu geben. Da seine Studentenschar überschaubar klein war, kümmerte er sich auch um deren soziale Belange und half, wo er nur konnte. Er vermittelte sogar seine Absolventen, wenn diese bei der Stellensuche nicht selbst fündig wurden. Seine Vorlesungen spickte er mit humorvollen Anekdoten, die er mit bayrischer Verschmitztheit vorzutragen verstand. Die Abschlussprüfung in seinem Amtszimmer war mehr ein familiäres Gespräch, bei der die Prüfungsnote schon vorher festzustehen schien.

Ich durfte ihn nach dem Studium noch bis kurz vor seinem Tod am 5. Oktober 1985 begleiten, da sein Wohnhaus am Fichteweg gleich neben dem Ifra-Institut lag, und ich ihn so nach Feierabend öfter besuchen konnte. Er tischte mir dabei immer einen Wermut aus dem Supermarkt auf – ja, ein Weinkenner war er wahrlich nicht. Die letzten Jahre waren für ihn sehr einsam, da er seine Frau, eine praktizierende Ärztin, und seinen Schachfreund, Professor Titschak, Emeritus des Lehrstuhls für Maschinenelemente der TH Darmstadt, verloren hatte.

Beim Nachfolger von Professor Eschenbach hatte ich das Glück, dass ich ihn schon lange vor seinem Amtsantritt 1966 kannte. Prof. Dipl.-Ing. Karl R. Scheuter war nämlich seit 1961 mein Chef bei der Maschinenfabrik WIFAG in Bern in der Schweiz. Dorthin hatte es mich mit meiner Frau verschlagen, als ich mich zu Beginn der 1960er Jahre auf die Wanderschaft begab, um den internationalen Druckmaschinen-bau kennen zu lernen. Ich arbeitete damals in seiner Entwicklungsabteilung, nur durch eine Glaswand von seinem Büro getrennt, und war beim Schreiben technischer Protokolle so etwas wie sein persönlicher Assistent.

Als er 1965 den Ruf an die TH Darmstadt erhielt, war ich wohl in der Firma auch der Erste, der davon erfuhr. Er hatte bereits 1961 neben der Entwicklungsabteilung eine Forschungsabteilung bei WIFAG eingerichtet, was sicher zu seiner Berufung beitrug. Er sagte mir damals zum Abschied, die einzigen freien Menschen auf dieser Welt seien noch die Professoren – nur dem Kultusminister verpflichtet, der weit weg in Wiesbaden sitze. Dass diese Freiheit 1968 dann von unten bedrängt wurde, war damals noch nicht abzusehen. Doch bewahrte er sich auch unter den geänderten Rahmenbedingungen seinen helvetischen Freiheitsdrang. Damit das Schweizerische in der Diaspora nicht zu kurz kam, dafür sorgte seine Ehefrau Christel mit ihren im Eberstädter Haus so vorzüglich zelebrierten Raclette-Kaminabenden.

Mit Professor Scheuter öffnete sich das Institut einem neuen Denken, u.a. durch die Einführung informationstheoretischer Überlegungen in die Problemstellungen des Druckmaschinenbaus. Auch die Praktika änderten sich von druckerischen Handfertigkeiten zu Experimenten mit oberflächenphysikalischen Phänomenen. Einen Schwerpunkt sah er darüber hinaus in strömungstechnischen Unter-suchungen, hatte er doch nach seinem Studium an der ETH in Zürich noch drei Jahre als wissenschaftlicher Assistent bei Professor Ackeret am Institut für Aerodynamik der ETH gearbeitet.

Besondere Ergebnisse in der Forschung, die sich damals in Dissertationen niederschlugen betrafen das viskoelastische Verhalten von Walzenbelägen, einen Beitrag zur Systemtheorie der Druckverfahren, eine experimentelle und rechnerische Untersuchung des Farbtransports in Walzenfarbwerken, die Optimierung von Trocknern durch die Ergründung der Strömungsverhältnisse unter Prallstrahldüsen, die Untersuchung des Rollverhaltens von Mehrwalzensystemen, die objektive Qualitätsbeurteilung von Druckprodukten mit Hilfe der Informationstheorie und last but not least, die Erfindung und Entwicklung des frequenzmodulierten Rasters am IDD, was heute Allgemeingut geworden ist und die Druckqualität auf fotografische Höhen gebracht hat.

Durch die Reform der Fakultät Maschinenbau von 1965, wonach nur noch der Allgemeine Maschinenbau zu lehren und die Aufsplitterung in spezielle Fachrichtungen zu vermeiden sei, verlor das IDD seinen Sonderstatus wie ihn allein das Institut für Papierfabrikation (IfP) aus historischen Gründen beibehalten durfte. D.h. die IDD-Studenten mussten in ihrer Vorlesungsauswahl dem allgemeinen Fächerkanon der Fakultät Maschinenbau und nicht mehr einem speziellen, allein auf die Erfordernisse der Drucktechnik zugeschnittenen Fächerplan folgen. Das Abschlusszeugnis wies sie danach auch nicht mehr als Spezialisten für Druck-maschinen und Druckverfahren aus. Eigentlich verlor damit das Institut seinen Namen, denn es wurde fortan nur noch von einem Fachgebiet im Fachbereich Maschinenbau gesprochen, aber im allgemeinen Sprachgebrauch lebte weiterhin der Name IDD fort.

Von Druckerverbandsseite wurde dem Institut vorgeworfen, es bilde vornehmlich nur Druckmaschinenkonstrukteure aus und vernachlässige die Belange der Druckindustrie. Man förderte deshalb den Aufbau von entsprechenden Fachhochschulen und einer universitären Hochschule für Planung Druck in Berlin. Dass bei den begrenzten Ressourcen es jedoch der richtige Weg war, mit dem Druckmaschinenbau zu beginnen, beweist die Tatsache, dass ein Großteil der Lehrkräfte dieser Fachhochschulen und der Berliner Hochschule aus dem Darmstädter Institut hervor gegangen ist.

Hätte man die Wünsche der Druckindustrie erfüllen wollen, so wäre eine zweite Professorenstelle in Darmstadt unabdingbar geworden, so wie es am Institut für Polygraphische Technik der TU Chemnitz schon seit 1966 der Fall war. In Chemnitz, in der damaligen DDR Karl-Marx-Stadt genannt, war drei bis zehn Jahre nach dem Darmstädter Institut ein ähnlich ausgerichtetes Institut entstanden, das von Anfang an die strikte Zweiteilung der Ausbildung von Druckmaschinenkonstrukteuren auf der einen Seite und so genannten Druck-Technologen auf der anderen Seite vorsah. Mit der Gleichschaltung von Fachhochschul- und Universitätsabsolventen im Diplom-Ingenieur-Titel schien sich diese Zweiteilung im Westen zu erübrigen – mehr eine politische, denn eine bedarfsgerechte Entscheidung, die in der Folge oft in eine meist fachfremde, nur noch management- und marketingbezogene Führung der Druckindustrie einmündete.

Professor Scheuter brachte seinen Studenten das kritische Denken bei, nämlich immer zu hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg wirklich der richtige sei und ob man nicht alte Zöpfe – sein Lieblingswort – abschneiden sollte. Seine Prüfungen waren deshalb eher gefürchtet als beliebt, so wie auch ich früher bei WIFAG immer mit logischen Antworten gewappnet sein musste, wenn er am Tag drei- bis viermal an mein Reißbrett kam. Er ließ so auch manchen Kandidaten durchfallen, wenn dieser glaubte, auf dem Weg des geringsten Widerstandes durchkommen zu können. Manche seiner Studenten haben ihm dies vielleicht erst nachträglich gedankt, wenn sie in der Berufspraxis einsehen lernten, dass ihnen die frühe Gewöhnung an diese Härte beim Bestehen von Alltagsproblemen sehr geholfen hat.

Auch in den Verhandlungen mit der Forschungsgesellschaft Druckmaschinen war unter Professor Scheuter ein strengerer Zug eingekehrt, indem er sich in seiner Meinung, bestimmte Themen behandeln zu müssen, nicht abbringen ließ. Das führte dann auch zur Vergabe von Forschungsprojekten an andere Institute. Das eherne Prinzip der Forschungsgesellschaft, vornehmlich zum Erhalt des IDD da zu sein, war damit aufgebrochen worden. Ich, der ich damals dem Vorstand der Forschungsgesellschaft angehörte, sprach etwas despektierlich von einer Kirche zur Erlangung höherer akademischer Weihen, die es zu erhalten gelte. Am Ende obsiegte Professor Scheuter, indem er seinen Weg, der von einer tief sitzenden Überzeugung getragen war, dies zur Erhaltung der Zukunftsfähigkeit der Branche tun zu müssen, unbeirrt weiterging.

In Professor Scheuters Amtszeit fiel die Feier zum 25-jährigen Jubiläum des Institutes, die am 10. November 1978 im Wilhelm-Köhler-Saal der TH stattfand. Er selbst hielt dabei den Festvortrag über ein theoretisches Problem der Farbenlehre bei der Transformation der Neugebauer-Gleichungen. Auf dem Podium diskutierten sechs junge Führungskräfte der Druckmaschinenindustrie – allesamt Absolventen des IDD – über die Zukunft des Druckmaschinenbaus. Das Schlusswort sprach der unvergessene Ehrenvorsitzende der Fachgemeinschaft Druck- und Papiermaschinen und Vorsitzende der Forschungsgesellschaft Druckmaschinen von 1958-1969, Dipl.-Ing. Dr. phil. Dr. rer. pol. h. c. Hans Bolza, Senior-Chef der Koenig & Bauer AG in Würzburg. Wie zu erwarten war, führte er dabei u.a. seine von ihm eifrig verfochtene Geldwerttheorie an.

War die Nachfolge für Professor Eschenbach noch sehr ruhig über die Bühne gegangen, so gestaltete sich diese bei Professor Scheuters Emeritierung 1985 nach knapp 20 Jahren Dienstzeit nicht ohne lautstarke Spekulationen, zumal es zweier Anläufe bedurfte, bis mit Prof. Dr.-Ing. Christoph Hars dem richtigen Kandidaten der Zuschlag erteilt werden konnte. Zu viele Namen waren im Vorfeld gehandelt worden. Professor Hars bestach in seiner Probevorlesung besonders durch sein analytischen Fähigkeiten und die Leichtigkeit, mit der er mathematische Herleitungen an die Wandtafel zaubern konnte. Seine Assistentenzeit an der Technischen Universität Berlin mag dem gebürtigen Hamburger dazu das nötige Rüstzeug verliehen haben.

Praxiserfahrung konnte Professor Hars schon durch seine dem Studium vorausgegangene Werkzeugmacherlehre und der Tätigkeit als Technischer Direktor des Flexo-Druckmaschinenherstellers Fischer & Krecke in Bielefeld vorweisen. Dort lernte ich ihn in einer geschäftlichen Partnerschaft kennen und musste ihm bei einer Reklamation – da entsinne ich mich noch ganz genau – in einer Sonntagnacht einen Monteur entsenden. Es war dies seine ultimative Forderung. Richtig kennen und schätzen gelernt haben wir uns aber erst nach seiner Berufung an die TH Darmstadt, als ich 1985 einen Erfahrungsaustauschkreis zwischen Ifra und den entsprechenden Hochschulinstituten für Druck und Papier ins Leben rief – einer Einrichtung, die noch heute besteht. Trotz seiner eloquenten Art hat er es jedoch nie geschafft, mich zu einem Verfechter von Flexodruck in der Zeitungsproduktion zu machen.

Professor Hars setzte den Schwerpunkt seiner Lehrtätigkeit wiederum in der Konstruktion, indem er CAD-Arbeitsplätze im Institut einrichtete, um so seinen Studenten ein Rüstzeug an die Hand zu geben, mit dem sie in der Praxis der Konstruktionsbüros gleich ganze Arbeit leisten konnten. Wie Professor Scheuter, so lag auch ihm besonders am Herzen, die Studenten zu einem kritischen Denken zu erziehen und keine Furcht davor zu haben, auch sehr schlüssig sich darbietende Dinge zu hinterfragen. Er selbst praktizierte dies ohne Scheu in unseren Sitzungen und trieb damit manchen Befragten in die Enge, um nicht zu sagen in die Verzweifelung.

In der Forschung lieferte er nicht nur die konstruktiven Grundlagen für die von ihm so geliebten Einzylinder-Flexodruckmaschinen, sondern ermittelte auch die physika-lischen Erfordernisse für anschlagfreie Druckverfahren mit wiederbeschreibbaren Druckformen, wovon wir jedoch bei Ifra als quasi Konkurrenten nur am Rande erfuhren.

Um es kurz zu machen: Mitte letzten Jahres, nach rund 15 Jahren, lief auch die Amtszeit von Professor Hars aus und es begann erneut die lange Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Dieser wurde schließlich in der Person von Prof. Dr.-Ing. Edgar Dörsam gefunden, einem waschechten Odenwälder aus Beerfelden, der wie Professor Hars vor dem Studium eine Werkzeugmacherlehre absolviert hat. Bei der Anfertigung von Vorrichtungen kam er – wie er einmal sagte – erstmals mit den Genauigkeitsanforderungen im Druckmaschinenbau in Berührung, was ihn auf die Branche aufmerksam machte.

Er studierte dann an der TU Darmstadt Maschinenbau mit Schwerpunkt-Fächern bei den Professoren Pahl (Maschinenkonstruktionslehre) und Schulz (Werkzeugma-schinenbau). Nach dem Diplomexamen fand er Anstellung in der F & E-Abteilung der MAN Roland Druckmaschinen AG im Werk Offenbach, wo er die Chance erhielt, gleichzeitig eine Dissertation über die Kinematik von Bogewendeeinrichtungen zu schreiben, was zu seiner Promotion führte. Die Karriereleiter aufsteigend wurde er schnell Abteilungsleiter für Bogenwendeeinrichtungen, stellvertretender Konstruktionsleiter, Produktmanager einer Großbogenoffsetmaschine und schließlich Bereichsleiter für die Mittelformatdruckmaschinen.

Nach seinem Amtsantritt zu Beginn dieses Jahres gab er bekannt, dass er den konstruktiven Schwerpunkt von Professor Hars fortsetzen und einen zweiten Zweig aufbauen will, den man mit der Bezeichnung „Methoden zur Farbwiedergabe in Medien“ umschreiben könnte. Das Ganze wird hardware-unabhängig erfolgen. Ein dritter Zweig soll das „Print Media Management“ beinhalten. Den eigentlichen Vorstufenbereich will er jedoch durch eine engere Kooperation mit der Lehrdruckerei von Professor Wilkes und dessen Nachfolger abdecken. Die schon vorher angesprochene Zweiteilung, wie sie in Chemnitz praktiziert wird, soll also endlich auch in Darmstadt Realität werden. Vielleicht lässt sich in einer nicht zu fernen Zukunft die Kooperation auch noch auf weitere Fachgebiete der TU Darmstadt ausdehnen, die sich schon heute mit dem Electronic Publishing beschäftigen.

Die nach den Bologna-Beschlüssen der europäischen Hochschulrektoren angestrebte Internationalisierung der Diplomabschlüsse durch Überführung in das angel-sächsische Bachelor / Master-System wird hoffentlich noch in der Amtszeit von Prof. Dörsam wirksam werden. Dies wird das bereits angesprochene, leidige Problem der Titelgleichheit bei unterschiedlichen Lehrinhalten zwischen den Fachhochschulen und den TH /TUs beseitigen – letztendlich zur Sicherstellung der gleichmäßigen Auslastung der Hochschul-Ressourcen und der Vermeidung von zu vielen Studienabbrüchen.

Wir können somit – und davon bin ich überzeugt – sehr hoffnungsvoll der Zukunft des IDD entgegen sehen. Über vier Generationen von Lehrstuhlinhabern hat sich die Führung nicht nur im Lebensalter verjüngt. Es braucht dazu aber auch einen neuen Impuls aus der Industrie, so wie er bei der Gründung des IDD vor 50 Jahren zu verzeichnen war. Längst haben alle Entscheidungsträger dieser Industrie erkannt, dass Forschung in hohem Maße die Zukunft unserer Branche bestimmt und nicht ein verbrämender Schmuck für das Marketing ist. Man hat deshalb selbst große Forschungskapazitäten in den einzelnen Firmen aufgebaut, was jedoch die Gemeinschaftsforschung nicht überflüssig macht, denn in ihrer Stimulans und Rationalisierung liegt ein bedeutender, wirtschaftlicher Vorteil.

Bei der vor kurzem in Düsseldorf stattgefundenen Jahrestagung des VDD hat Professor Dörsam sehr mutig an die Adresse der Druckmaschinenindustrie appelliert, das Offset-Druckverfahren im Hinblick auf eine selbsttätige Regelung und Vereinfachung der Komplexität zu optimieren, um es von der Abhängigkeit des druckerischen Könnens zu befreien. Nur so werde man die Technologieführerschaft des deutschen Druckmaschinenbaus auch in Zukunft sichern. Und er schloss seine Ausführungen mit den handreichenden Worten: „Fangen wir’s an!“.

In diesem Sinne wünsche ich dem IDD ein herzliches „Glück auf“ für die nächsten 50 Jahre an deren Ende ich bestimmt nicht mehr als Chronist und Laudator zur Verfügung stehen werde.

Harry-M.-Greiner-Studienpreis 2012

Die Ausschreibung wurde zur Branchenmesse drupa im Mai 2012 veröffentlicht. Unter den acht Einreichungen wurden eine studentische Abschlussarbeit und eine Doktorarbeit von der unabhängigen Jury ausgewählt. Auf der Mitgliederversammlung des VDD Ende September 2012 in Berlin wurde der Studienpreis an die beiden Preisträger verliehen.

Für seine Bachelorarbeit „Simulation eines Druckkopfes für leitfähige Medien“ wurde Herr B.Sc. Micha Güdel von der Berner Fachhochschule im schweizerischen Burgdorf mit dem Harry-M.-Greiner-Studienpreis 2012 ausgezeichnet. Ebenfalls ausgezeichnet wurde Dr.-Ing. Michael Dattner für seine Dissertation mit dem Titel „Spektrales Farbvorhersagemodell für den Rasterpunkt auf Basis der wellenlängenabhängigen Flächendeckung“, mit der er an der Bergischen Universität in Wuppertal promovierte.

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Ausgezeichnete Preisträger: Micha Güdel (2.v.l.) und Dr.-Ing. Michael Dattner (3.v.l.) mit den VDD-Vorstandsmitgliedern Prof. Dr.-Ing. Karl Schaschek (1. v.l.), Dipl.-Ing. Joachim Sonnenschein (4.v.l.) und Dipl. Ing. Karl-Heinz Mohn (5.v.l.)

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