Dr.-Ing. Rudolf Hell (1901-2002), der Jahrhundert-Ingenieur

Im Jahre 2000, zum 600. Geburtstag von Johannes Gutenberg, wählten amerikanische Fachjournalisten diesen zum „Man of the Millennium“, zum Mann des Jahrtausends.

Der Gutenberg-Preisträger Dr.-Ing. Rudolf Hell, der im Jahre 1901 geboren wurde und am 19. Dezember 2001 noch seinen 100. Geburtstag als Ehrenbürger der Stadt Kiel im Alten Kieler Rathaus feiern konnte, ist in mehrfacher Hinsicht dazu prädestiniert, der Jahrhundert-Ingenieur genannt zu werden. (Gemälde = Geschenk der Belegschaft zum Abschied).

Viele sprachen schon zu seinen Lebzeiten von ihm als dem „Edison der grafischen Industrie“, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass er die Gabe hatte, neue Ideen und Erfindungen nicht nur zu kreieren, sondern sie auch in der täglichen Praxis einzuführen.

Rudolf Hell hat wie kein Zweiter das graphische Gewerbe dadurch zur grafischen Industrie geführt, dass er schon früh die Mittel der Elektronik einsetzte, um die handwerklichen Fertigungsverfahren zu rationalisieren und von der meisterlichen Willkür individueller Selbstüberschätzung zu befreien.

Ohne seine Vorarbeit in der elektronischen Reproduktionstechnik würden heute Amateur-Fotografen nicht ihre Digitalfotos am PC optimieren und Autoren nicht ihre Manuskripte selbst druckreif redigieren und umbrechen können.

Um dies nachwachsenden Generationen bewusst zu machen, habe ich zusammen mit meinen Partnern Christian Onnasch und Manfred Siemoneit eine Biografie dieses großen Mannes verfasst, die demnächst in Druck geht. Subskriptions-Bestellformulare liegen aus.


Vielleicht sollte ich Ihnen eingangs erst einmal erklären, wie ein einfacher Maschinenbau-Ingenieur dazu kommt, die Biografie für diesen großen Elektronik-Ingenieur zu verfassen.

Nach meiner Pensionierung Ende 1998 beschäftigte ich mich mit Fragen, wie: „Wer erfand den Vierfarbendruck, wer den Falzapparat, wer den Rollenwechsler, wer den Computer, wer den PC, wer den Bildschirm?“ und kam so auch zur Frage: „Wer erfand den Farbscanner?“.

Dabei stieß ich im Frühjahr 2001 auf das Geburtsdatum von Dr. Hell und suchte in Erfahrung zu bringen, ob er noch am Leben sei, denn dann würde er nach meiner einfachen Berechnung am Jahresende, am 19. Dezember 2001, seinen 100. Geburtstag feiern können.

Es brauchte einige Zeit und mehrerer Anläufe, um die Frage beantwortet zu erhalten. Wohl zur gleichen Zeit oder kurz danach, hatte man bei der Heidelberger Druckmaschinen AG beschlossen, eine Broschüre zu Dr. Hells 100. Geburtstag herauszubringen.

Unser VDD-Mitglied Wolfgang Pfizenmaier, damals Vorstandsmitglied der Heidelberger Druckmaschinen AG und dabei für das Werk Kiel zuständig, hatte wohl von meinem Interesse gehört, trug mir die Ehre an, die Laudatio auf Dr. Hell bei einer Feierstunde im Kieler Rathaus zu halten und berief mich gleichzeitig in das Redaktionsteam in Heidelberg zur Erstellung der Broschüre.

So kam ich zu der unverhofften Ehre, die Laudatio auf diesen genialen Ingenieur halten zu dürfen. Nur knapp 3 Monate nach der Feier starb Dr. Hell jedoch am 11. März 2002.

Im Frühsommer 2002 kam Herr Prof. Hermann Zapf auf mich zu und bat mich, in die Überlegung einzutreten, meine Laudatio in ein etwas dickeres Buch, eine richtige Biografie zu erweitern. Das tat ich denn auch mit großer Begeisterung.

Zum ersten Todestag von Dr. Hell war der Text bereits fertig gestellt und es begann die lange Suche nach einem willigen Verlag. Prof. Zapf unterstützte mich dabei nach Kräften, doch die wenigen Verlage, die ein Interesse an einer solchen technisch orientierten Biografie bekundeten, verlangten alle eine hohe Zuzahlung zu den Kosten. Sponsoren ließen sich jedoch in der Rezension nicht finden.

Ich tat mich deshalb im darauf folgenden Jahr 2004 mit den ehemaligen „Hellianern“ Christian Onnasch und Manfred Siemoneit zusammen, um das Werk wenigstens in die Form einer CD-ROM-Publikation zu bringen, die kostenlos an Archive, Hochschul-Bibliotheken und Institute verteilt werden könnte. Diese relativ geringen Kosten konnten wir uns leisten.

Die gestaltete CD-ROM wurde Ende 2004 fertig und durch die großzügige Subskription von vier Sponsoren: der Heidelberger Druckmaschinen AG, der Hell Gravure Systems GmbH, von KBA in Würzburg und der Gemeinde Schierling-Eggmühl konnte das Buch letzte Woche bei der Edition Braus im Wachter-Verlag in Heidelberg in Druck gegeben werden.

Wenden wir uns nun der Biografie und dem Vortragsthema zu.

Rudolf Hell wurde am 19. Dezember 1901 in dem kleinen niederbayrischen Weiler Eggmühl, rund 50 km südlich von Regensburg, als jüngster von drei Söhnen des Bahnhofvorstehers Karl Hell und seiner Ehefrau Lidwina, geb. Meyerring, geboren. Der Weiler ist inzwischen in den Markt Schierling eingemeindet worden, weshalb die Suche nach diesem Ort nicht ganz einfach war.

Auch der Ort selbst ist nochmals in den Teil Unterdeggenbach, Eggmühl Bahnhof und Eggmühl Kirche geteilt. Wer gute Augen hat kann am rechten Ortsrand die Bezeichnung „Rudolf-Hell-Str.“ erkennen.

Goethe schrieb einmal über sein Erbgut: „Vom Vater hab‘ ich die Statur …“. Unschwer ist an Vater Hell hier im Bild links außen zu erkennen, dass auch Rudolf Hell vom Vater die Statur geerbt hat (jedoch gemütlicher Beamter – Management der Mutter). Der kleine Bahnhof im Hintergrund war sein Zuhause, denn die Familie wohnte dort am Arbeitsplatz des Vaters.

Es ist anzunehmen, dass Rudolf schon früh im Bahnhof mit der Bahntelegraphie in Berührung kam und so vielleicht noch unbewusst in ihm der Wunsch reifte, einmal bei der Weiterentwicklung dieser Technik mitarbeiten zu dürfen (deshalb Geschichte der Telegraphie).

Das Bild zeigt die drei Brüder beim Spielen auf der Wiese neben dem Bahnhof. In der Mitte ist Rudolf mit seinem kleinen Hund zu sehen. Diesen kleinen Hund muss er innig geliebt haben, denn, als später die Familie von Eggmühl nach Eger wegzog, litten beide so stark an der Trennung, dass Vater Hell den Hund per Bahnfracht nachkommen ließ.

Dieses Foto vom Bahnhof Eggmühl habe ich vor vier Jahren aufgenommen und es zeigt, dass sich kaum etwas verändert hat. Nur die kleine Lokalbahn zweigt hier nicht mehr von der Hauptlinie Regensburg-Landshut ab.

Wie stark dem 83-jährigen Dr. Hell die Erinnerung an den Bahnhof haften geblieben ist, mag daran deutlich werden, dass er sich enttäuscht über das nüchterne Gebäude zeigte, als er es 1984 erstmals wieder sah und danach sagte; „Früher war der Bahnhof so romantisch, in der Vorhalle lauter Bäume; der Ziegelbau so schön. Jetzt haben sie die Bäume gefällt und den Bahnhof gelb angestrichen. Es ist furchtbar die ganze Romantik ist weg“.

Man hatte ihn damals als Ehrengast zum Festakt „175 Jahre Schlacht bei Eggmühl“ (22.4.1809 Napoleon/Bayern gegen Österreich) eingeladen und gab ihm zu Ehren einer Straße seinen Namen. Er gilt seitdem als Eggmühls berühmtester Sohn und der Gemeinderat hat sogar die Grundschule nach ihm benannt obwohl er darin nie zur Schule ging.

Als er nämlich 6 Jahre alt war, wurde Vater Hell als Leiter des Güterbahnhofs nach Eger in der damaligen österreichisch-ungarischen k&k-Monarchie berufen.

Der Bahnhof Eger stand von seiner Gründung 1895 an bis 1937 als Verbindungsglied zwischen den sächsischen und bayrischen Bahnen stets unter bayrischer, bzw. später reichsdeutscher Verwaltung, weshalb dies einer Beförderung des königlich-bayrischen Bahnverwalters Karl Hell zu mehr Einfluss und Verwaltung in der gleichen Organisation entsprach und keineswegs einer Versetzung ins Ausland.

Hier im Vorgriff auf die Egerer Zeit ein Bild von den drei Hell-Söhnen: von links gesehen: Karl, Max und der pfuffige Rudolf im Jahre 1919.


Dies ist das Mietshaus, in das die Familie Hell 1907 in Eger einzog. Ich habe es vor zwei Jahren trotz anderer Straßenbezeichnung gefunden und fotografiert. Eger heißt inzwischen „Cheb“ und man spricht dort kaum noch die deutsche Sprache.

In der Chronik der Stadt ist zu lesen, dass 1918 es wiederholt vorkam, dass der Rat der Stadt Eger tschechische Schreiben aus Prag nicht zur Kenntnis nehmen konnte, weil niemand in der Stadt war, der die tschechische Sprache beherrschte. Die Umgangssprache, auch die die in der Schule gelehrt wurde war Deutsch. Erst nach 1930 stieg der Anteil der tschechischen Minderheit auf eine zweistellige Prozentzahl.

Das Kommunionsfoto von Rudolf Hell aus dem Jahre 1911 (als Bayer natürlich katholisch).

Wie das Wohnhaus so konnte ich vor zwei Jahren auch die Grundschule finden und fotografieren. Sie war 1902 erbaut worden und befand sich vom Wohnhaus gleich um die Ecke, sodass der Schulweg nicht weit war.

Später sagte Dr. Hell einmal über seine Kindheit in Eger: Ich war ein bisschen ein Außenseiter, der nicht mit den anderen Kindern auf der Straße herumtollte“. Auch erinnerte er sich, dass er ein blasser Junge war, dessen Kräfte und Wangen man mit Rotwein zu stärken versuchte.

Nach der Absolvierung der Grundschule wechselte Rudolf Hell zum ebenfalls nicht weit entfernt liegenden „Rudolphinum“, einer Oberrealschule. Zu Beginn der 1990er Jahre hat man das Gebäude wohl wegen Baufälligkeit abgerissen, weshalb ich hier nur ein Archivbild zeigen kann.

Dass die Schule seinen Namen trug, muss dem Jungen geschmeichelt haben, auch wenn damit König Rudolph von Habsburg gemeint war, der 1278 den Böhmenkönig Ottokar II. in der Schlacht auf dem Marchfeld besiegt hat.

Das Abiturzeugnis aus dem Jahre 1919 bestätigt, was Dr. Hell einmal über seine schulischen Leistungen sagte. Er erklärte: In Physik und Mathematik war ich immer der Beste, in Sprachen mäßig und dort, wo man viel lernen musste, war ich einfach schlecht.


Mit noch nicht ganz 18 Jahren trat Rudolf Hell das achtsemestrige Studium der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule München an, das er 1923 mit dem Grad eines Dipl.-Ing. abschloss. Das Bild zeigt ihn – vorn in der Mitte – im Kreis seiner Kommilitonen.

Besonders begeistert war Rudolf Hell von den Vorlesungen eines Dr. Max Dieckmann über „Drahtlose Telegraphie“, der jedoch nicht als hauptamtlicher Hochschullehrer an der TH München angestellt war, sondern nur als Privatdozent dieses Gebiet betreute. Hauptamtlich leitete er die „Drahtlostelegraphische und luftelektrische Versuchsstation“ in Gräfelfing bei München. (Vorgänger von 1955 DVL und 1968 DLR Deutsches Raumfahrt-Kontrollzentrum).

Man muss wissen, dass die Telegraphie eine lange Tradition in München hatte, beginnend im Jahre 1809 mit Samuel Thomas Sömmerring und seinem elektrolytischen Telegraphen, gefolgt im Jahre 1830 von August Steinheil, den sein Lehrer Carl Friedrich Gauß dazu überredete, einen Magnetnadel-Telegraphen mit Zwei-Punkt-Codierung herauszubringen.

Das setzte sich auch in der Bild-Telegraphie fort, nachdem der Engländer Frederick Collier Bakewell 1848 seine Trommel-Faksimile-Übertragungseinrichtung vorgestellt hatte. Die Trommel, auf der eine unter elektrischer Spannung stehende Metallfolie mit Beschriftung von isolierender Schellacklösung aufgespannt war, wurde dabei von einem Uhrwerk (hinten) angetrieben und von einer Stahlnadel über einen Supportantrieb mit Gewindespindel spiralförmig abgetastet. Auf der Empfängerseite stand eine ähnliche Einrichtung zur Verfügung, bei der jedoch die Metallfolie durch ein mit Jod-Violett getränktes Blatt Papier ersetzt wurde, auf dem die entsprechend der Abtastung auf der Senderseite Strom führende Nadel blaue Streifen hinterließ.

Prof. Arthur Korn gelang im Jahre 1904 an der TH München erstmals der Einsatz einer Fotozelle auf der Senderseite und einer Kerrzelle auf der Empfängersseite für diesen Zweck, wodurch das erste Telefoto zwischen München und Nürnberg übertragen werden konnte. 1907 erfolgte der erste Einsatz in der Presse mit einer Übertragung von der Zeitung „L’Illustration“ in Paris zum „Daily Mirror“ in London. Die Biografie gibt den gesamten Entwicklungsgang wieder.

Zurück zu Max Dieckmann. Dieser war Student bei Prof. Braun gewesen, dem Erfinder der Kathodenstrahl-Röhre, der Braun’schen Röhre, an der Universität Straßburg und hatte sich zusammen mit seinem Kommilitonen Gustav Glage im Jahre 1906 erdreistet, Prof. Brauns Erfindung für eine eigene Patentanmeldung zu verwenden, was diesen sehr aufbrachte.

Hier ist der Versuchsaufbau zu diesem Patent zu sehen: Dieckmann und Glage stellten Buchstaben und Figuren aus Kupferblech her, die sie mit einer rotierenden Scheibe von spiralförmig angeordneten Kontaktbürsten (ähnlich der Nipkow-Lochscheibe) reihenweise abtasteten, wodurch sich elektrische Impulse ergaben, die auf der Braun’schen Röhre abgebildet werden konnten. Dort waren also die Buchstaben und Figuren wieder zu sehen.

Um sich nicht mit ihrem Professor völlig zu überwerfen, verfolgten sie jedoch die Versuche nicht weiter und ließen das Patent auslaufen. Sie konnten dadurch ungestört promovieren. Dr. Dieckmann ging danach nach München und gründete die Versuchsanstalt in Gräfelfing.

Auch an der TH München hatte er Mühe, seine Ideen überhaupt äußern zu dürfen. Als er ein Referat mit dem Titel: „Drahtloses Fernsehen“ halten wollte, wurde ihm dies vom Rektor der TH mit der Begründung untersagt, er schädige mit solchen Phantastereien den akademischen Ruf der Hochschule. Erst als er den Titel in „Fernübertragungseinrichtungen von großer Mannigfaltigkeit“ änderte, bekam er das Referat trotz gleichen Inhalts genehmigt.

Der frisch gebackene Dipl.-Ing. Rudolf Hell war 1924 von dem Arbeitsgebiet Dr. Dieckmanns auch weiterhin so begeistert, dass er als unbezahlter Assistent bei ihm in Gräfelfing zu arbeiten begann. Er sagte später: „Ich habe nie etwas gemacht, nur um Geld zu verdienen. Es ging mir um den Fortschritt und die praktische Anwendung“.

Neben dem eigentlichen Arbeitsgebiet der Versuchsanstalt, der Funk- und Radartechnik für den Flugverkehr, hatte Dr. Dieckmann seine früh gefasste Vision vom drahtlosen Fernsehen nie aufgegeben und er hatte die Begabung, auch seinen Assistenten dafür zu begeistern.

So kam es 1925 zu einer gemeinsamen Patentanmeldung mit dem Titel „Lichtelektrische Bildzerlegerröhre für Fernsehen“. (Spiegelabtastung des Mattscheibenbildes).

Das gesamte System der lichtelektrischen Bildzerlegerröhre mit Sender und Empfänger wurde 1925 auf der Münchner Verkehrsausstellung vorgeführt, wo es der damals 17-jährige Schüler und spätere, gefeierte Erfinder des PAL-Farbfernsehens Walter Bruch zu sehen bekam. Dieser bekannte später, dass er durch das dort Gesehene zu seinen Arbeiten angeregt wurde.

Tatsächlich wurde die Fernsehkamera von Dieckmann und Hell bei den Olympischen Spielen 1936 eingesetzt, nachdem sie mit einer Zusatzeinrichtung des Amerikaners Philo Farnsworth verbessert wurde. Sie stand Modell bei der Anfertigung der „Goldenen Kamera“, einem Fernsehpreis, der von der Redaktion der „Hör zu“ des Axel Springer Verlags verliehen wird.

Walter Bruch war bei den Olympischen Spielen selbst als Kameramann tätig und sagte über die Qualität der Dieckmann-Hell-Kamera später: „Nur kurzzeitig schien während dieser Spiele die Sonne. Dann sah man manchmal auf dem Fernsehempfänger Bilder mit einem uns sagenhaft erscheinenden Bildkontrast. Sie kamen von der Kamera von Dieckmann und Hell. Leider konnte sie für den normalen Fernsehbetrieb nie empfindlich genug gemacht werden, als Filmabtaster war sie jedoch gut geeignet. Bis zur Zerstörung der Fernsehstudios in Berlin durch Bomben im Jahre 1943 lieferte sie von dort hervorragende Bilder“.

In der Biografie wird die Entwicklungsgeschichte des Fernsehens eingehend erklärt. Dr. Hell sagte später in einem Interview, die Fernsehtechnik sei Ende der 1920er Jahre festgefahren gewesen, weshalb er sich der Faksimiletechnik mit ihren weitaus besseren Möglichkeiten zugewandt habe.

Und er sagte noch etwas, was die Erfindertätigkeit charakterisiert. Er sagte: „Während der Künstler weitgehend unabhängig von der gegenwärtigen Kunst Neues schaffen kann, ist der Ingenieur darauf angewiesen, auf dem vorhandenen Wissen und der Technik aufzu-bauen. Es ist somit die Arbeit des Einzelnen die Fortsetzung einer Kette von Forschungsarbeiten, an der viele Wissenschaftler beteiligt sind, wobei oft Ähnliches, manchmal sogar zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten entsteht“.

In ähnlicher Weise charakterisierte Rudolf Diesel, der große Ingenieur des ausgehenden 19. Jhd. das Wesen erfinderischen Schaffens, wenn er sagte: Nie und nimmer kann eine Idee als Erfindung bezeichnet werden – immer gilt als Erfindung nur die ausgeführte Idee“.

Nach dem Erfolg mit der Fernsehkamera vermittelte Dr. Dieckmann im Jahre 1927 Rudolf Hell ein Dissertationsthema mit dem Titel: „Direktanzeigendes Funkpeilgerät für die Luftfahrt“, das er mit Bravour erfüllte und ihm die akademische Würde eines Dr.-Ing. einbrachte. Das Thema hatte wie oft üblich mehr mit dem Arbeitsgebiet des Gräfelfinger Institutes zu tun, als dass es einer neuen Interessensrichtung von Rudolf Hell entsprach.

Das Funkpeilgerät, dem Experten damals keine Chance zur Verwirklichung gaben, legte jedoch die Grundlage für den Blindflug von Flugzeugen und eine amerikanische Gesellschaft zahlte ihm in Kooperation mit Telefunken eine Lizenzgebühr von 20 000 RM dafür, um es weiter entwickeln zu dürfen.

Nach der Promotion arbeitete Dr. Hell noch 2 Jahre am Gräfelfinger Institut (als bezahlter Assi), wobei er u. a. eine Anleitung für den Selbstbau eines Bildfunk-Senders und -Empfängers zum Empfang von Wetterkarten verfasste. Seine späteren Auszubildenden haben ihm das Gerätepaar, wie es hier im Bild zu sehen ist, zu seinem 65. Geburtstag nachgebaut.

Da Dr. Hell jedoch nicht die Hochschul-Laufbahn einschlagen wollte, hielt er Ausschau nach Möglichkeiten, um sich selbständig zu machen.


Dass der bekennende Bayer dazu in das Herz von Preußen, nach Berlin, übersiedelte, hatte damit zu tun, dass dort die wesentlichen Auftraggeber für sein Fachgebiet wie Siemens, Telefunken und AEG, aber auch die Beschaffungsbehörden der Regierung ansässig waren. Es war die Zeit der Weltwirtschaftskrise, der beginnenden Inflation und Massenarbeitslosigkeit.

Am 2. Mai 1929 kam Dr. Hell, gerade 27 Jahre alt, in Berlin-Babelsberg an und bezog zunächst ein möbliertes Zimmer und kaufte kurze Zeit später das im Bild wiedergegebene Haus in der Ihlenstraße. Dort richtete er auf allen Etagen sein Entwicklungslabor ein.

Noch in München hatte er seine Frau Martha geheiratet, die aus Osnabrück stammend in München Gesang studiert hatte und auch auf verschiedenen Bühnen tätig war. Ihrem Mann zuliebe gab sie ihren Beruf auf, zog nach Berlin nach und umsorgte in der „Gründervilla“ in der Ihlenstraße die junge Belegschaft von 12 Mitarbeitern der Firma Dr.-Ing. Rudolf Hell. Es gibt ein Gedicht, das die Atmosphäre in dem Haus vortrefflich beschreibt.

Als die Villa aus allen Nähten zu platzen drohte, zog man in ein weit größeres Gebäude in der Kronprinzenallee um. (Dr. Hell fotografierte das Haus in der DDR-Zeit und wurde von einem Passanten darauf aufmerksam gemacht, dass dies strengstens verboten sei, denn darin sei jetzt die Stasi untergebracht).

Das Startkapital für seine junge Firma hatte Dr. Hell eine kleine Erbschaft der Mutter, der Verkauf seines Münchner Autos – in Berlin konnte man mit der U-Bahn fahren – sowie eine Erfindung erbracht, die fortan seinen Namen berühmt machte. Vom Hellschreiber ist die Rede, dessen Grundlizenz er für 13 000 RM an die Firma Siemens verkaufen konnte.

Der Hellschreiber, ein schreibender Telegraph, zeichnete sich durch seine robuste Bauweise und Störsicherheit aus, und konnte von Siemens in einer Stückzahl von über 50 000 verkauft werden. In allen Zeitungen, Ämtern und Großbetrieben leistete er gute Dienste.

Das Prinzip lässt sich an diesem Schema gut erklären: Die Zeicheneingabe auf der Senderseite erfolgte mit einer Schreibmaschinentastatur, die jedoch statt der Typenhebel jeweils eine Nockenscheibe in Gang setzte, die auf ihrem Umfang für den jeweiligen Buchstaben Nocken zur Kontaktgabe nach einer segmentförmigen Unterteilung der Buchstabenelemente trug, d h. den Buchstaben in einzelne „Pixel“ aufteilte – ein Grundgedanke aus der Fernsehtechnik.

Auf der Empfängerseite wurde entsprechend der Impulsfolge eine Stahlschneide unter einem Papierstreifen mittels eines Magneten bewegt, die das Papier an eine sich drehende Spindel mit mit eingefärbter spiralförmiger Erhebung drückte und so das Schriftbild erzeugte.

Um eventuelle Synchronisierungsfehler zwischen Sender und Empfänger nicht zu einer unleserlichen Schrift führen zu lassen, erfolgte die Übertragung in zwei Linien und wurde mit einer zweigängigen Farbspindel gedruckt, sodass beim Herauswandern der Schriftzeile aus der Horizontalen die Schrift immer noch zu lesen war. Dr. Hell hatte so eine Redundanz geschaffen, bevor das Wort in Elektrotechnik allgemein gebräuchlich wurde.

Hier ist der Empfänger als Gerät, wie von Siemens gefertigt, zu sehen …

… und hier nochmals die Doppelspindel aus der Patentschrift erklärt.

Die junge Firma Dr.-Ing. Rudolf Hell hatte einerseits die Weiterentwicklung des Hellschreibers zu betreuen, beschäftigte sich aber auch mit Morsegeräten, Hell-Feldschreibern für den beweglichen Einsatz, mit Rahmenteilern für den Funkverkehr, mit Metalldetektoren zum Aufspüren von Minen, Zünder für akustische Seeminen,
Formationsführungs-Geräten für Flugzeuge und geriet damit immer mehr in die Produktion von Rüstungsgütern hinein.

Spätere, im Frieden aufgewachsene Generationen mögen die Frage stellen, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Dr. Hell die Entwicklung und Produktion solcher Rüstungsgüter verweigert hätte. Diese Fragestellung würde jedoch die damalige Situation, in der sich Unternehmer und besonders Wissenschaftler befanden, völlig verkennen.

Einerseits war es der in Dürrenmatts Physikern so vortrefflich beschriebene Forscherdrang, der zunächst nicht danach fragt, zu welchem teuflischen Zweck die Erfindung missbraucht werden könnte (Heraklit: „Der Krieg ist Vater aller Dinge“), und andererseits hätte eine Weigerung in einem totalitären Staat, wie dem NS-Staat, unmittelbar den Vorwurf der Kriegsdienstverweigerung bis zur Sabotage und zum Landesverrat nach sich gezogen.

So mussten damals auch alle Druckmaschinenfabriken Werkzeugmaschinen zur Fertigung von Granaten (Spitzenschleifmaschinen) und auch Granaten herstellen.

Ein Gebiet hatte es Dr. Hell in seinem Forscherdrang ganz besonders angetan. Es war dies die Entwicklung und Weiterentwicklung der Enigma-Verschlüsselungsmaschine, die ihn auch noch nach dem Krieg beschäftigte, wobei weiterhin strengste Geheimhaltung herrschte.

Das Schemabild verdeutlicht die Funktion der Enigma. („Enigma“ = griech. das Rätsel). Wird auf der Schreibmaschinentastatur ein Buchstabe angeschlagen, so wandert sein Impuls über drei Schlüsselwalzen, kehrt danach um und durchfährt nochmals die schrittweise weiter-schaltenden Schlüsselwalzen und lässt schließlich auf dem Lampenfeld den verschlüsselten Buchstaben aufleuchten, der vom Funker aufgeschrieben und ausgesandt wird.

Auf der Empfängerseite wird genau umgekehrt verfahren: Der verschlüsselte Buchstabe wird eingetippt und der entschlüsselte Buchstabe abgelesen und aufgeschrieben.

Dr. Hells Bestreben war nun, den umständlichen Prozess des Abschreibens der Buchstaben vom Lampenfeld zu automatisieren, d. h. eine schreibende Enigma zu erfinden. Da alles damals sehr geheim war, lässt sich nur vermuten, ob ihm das damals schon gelungen ist.

Die beiden Werke von Dr. Hell wurden gegen Ende des Krieges noch um eine größere Fertigungsstätte in Berlin-Treptow erweitert, sodass am Ende rund 1000 Mitarbeiter unter seiner Leitung beschäftigt waren.

Das alles brach zum Kriegsende vollständig zusammen. Was nicht ausgebombt wurde fiel der Demontage anheim. Am Ende stand Dr. Hell vor einem Nichts.

Ein verlockendes Angebot, als gesuchter Spezialist nach England auszuwandern, lehnte er ab, getreu seinem Wahlspruch: „Nie aufgeben!“ wollte er den Neuanfang im eigenen Lande beginnen. Das Angebot war ihm bei den so genannten „Interrogations“, wie es alle wichtigen Wissenschaftler nach dem Krieg über sich ergehen lassen mussten, zuerst in Travemünde und dann in London unterbreitet worden. Dort erfuhr er auch, dass sein späterer Konkurrent John F. Crosfield mit ähnlichen technischen Entwicklungen wie er, besonders mit akustischen Seeminen bei der britischen Marine beschäftigt war.

Dr. Hell und seine Frau Martha wagten den Neuanfang im Sommer 1947 in Kiel auf dem Gelände der Kieler Howaldtwerft – hier ein Luftbild von dem zu 80% zerstörten Werksareal.

Ein von den Howaldtwerken nicht mehr gebrauchtes und nur notdürftig instand gesetztes Konstruktionsgebäude diente ihnen wie drei weiteren Handwerksbetrieben als erste Unterkunft. Es würde zu weit führen, die schwierige Anfangszeit hier wiederzugeben, die in der Biografie ausführlich beschrieben wird.

Der über die Kriegswirren herüber gerettete DKW spielte bei den notwenigen Hamsterfahrten für Material eine große Rolle – auch beim Hereinholen der ersten Aufträge.

Es handelte sich bei den ersten Aufträgen um Reparaturen an den Hellschreibern der ersten Zeitungsverlage, die eine Lizenz von den Besatzungsmächten erhalten hatten. Hier ist Dr. Hell zu sehen, wie er einen Hellschreiber auf seine Funktionstüchtigkeit hin inspiziert.

Ein Glücksfall beim Aufspüren neuer Produkte war die mit dem Hellschreiber gewachsene Verbindung zum Haus Siemens.

Der Siemens-Vorstand hatte beschlossen, nicht mehr in das Gebiet des Bildfunks einzusteigen und überließ dieses Feld Dr. Hell, indem er ihm einen Spezialisten und das gesamte Inventar dieser Sparte überließ. Der Vertrag vom Frühjahr 1948 war langfristig auf 30 Jahre angelegt.

So kam es zu Beginn des Jahres 1950 zu einer Pressekonferenz in Kiel, wobei der Prototyp eines Telebild-Senders und -Empfängers einem Kreis von potentiellen internationalen Kunden vorgeführt wurde.

Ein Holländer monierte nach der erfolgreichen Vorführung, dass ihm der Telebild-Empfänger wenig nutze, wenn er danach doch eine Klischeeanstalt aufsuchen muss, bevor er das Bild in seiner Zeitung abdrucken kann. Da könne er gleichzeitig auch die Bildagentur aufsuchen.

Dr. Hell antwortete ihm: Ich baue Ihnen eine Maschine, damit Sie von dem empfangenen Bild sofort auch zu Hause ein Klischee herstellen können!“.

Gesagt – getan. Hier sehen Sie den Laboraufbau des ersten Klischographen. (Kundenbezug).

Der Klischograph K 151 schockierte die Klischeeanstalten und es gab Sabotageakte der Chemigraphen bei der ersten Drupa-Messe im Jahre1951, wo er erstmals der Fachöffent-lichkeit vorgestellt wurde. Ein Schweizer Chemigraphenverband wollte ihm sogar das Patent für gutes Geld abkaufen, um es danach in einer Schublade verschwinden zu lassen.

Dieses Bild zeigt Dr. Hell, wie er ein fertig graviertes Klischee dem Klischographen entnimmt, um es auf Maßhaltigkeit zu prüfen.

Der erste Klischograph war für die 1:1-Erstellung des Klischees durch direkte Koppelung von Abtastkopf und Gravierstichel ausgelegt. Ihm folgte der Vario-Klischograph K 181, der janusköpfig ausgeführt war – links die Abtastung und rechts die Gravur mit einem Storchschnabel-Mechanismus in der Mitte – und Maßstabsveränderungen zuließ.

Es kam auch zu einem Farbklischograph F 160, der auf der Drupa 1954 gezeigt wurde, bei dem optische Filter die Erstellung von unkorrigierten Farbauszügen erlaubten.

Da neben dem Buchdruck auch der Offsetdruck bedient werden sollte, wurden in den Klischographen neben Zinkplatten auch schwarz gefärbte Lithar-Folien graviert. Das Geschäft mit diesen Folien und den Sticheln ergab ein lukratives Zusatzgeschäft.

Eines Tages empfahl ihm der allmächtige Technische Direktor des Axel Springer Verlags in Hamburg mit Namen Dr. Walter Matuschke: „Sie bauen so erfolgreiche Farbklischographen für die Klischeeherstellung. Machen Sie doch so etwas auch für die Tiefdruckzylinder!“.

Dr. Hell nahm daraufhin sofort einen Versuchzylinder aus dem Tiefdrucklabor des Axel Springer Verlag mit brachte ihn schon nach wenigen Tage graviert zurück.

Der Helio-Klischograph K 190 war geboren, von dem Sie hier die Abtasteinheit mit sechs Abtastköfen sehen. Das Maschinenbett baute im Auftrag der Dr.-Ing. Rudolf Hell KG die bekannte Drehmaschinenfabrik Heidenreich & Harbeck in Hamburg.

Der Abtasteinheit steht die Graviereinheit mit ebenso vielen Gravierköpfen gegenüber – im Bild sind es acht. Die Abtastung und Gravur erfolgte mit einer Frequenz bis 4 kHz (heute 7,5)

Im Verlauf der Weiterentwicklung der Graviertechnik der Tiefdruckzylinder, die das Ätzen vollständig abgelöst hat, wurde auch über neue physikalische Prinzipien nachgedacht. So kam man über die Lasergravur auch zur Elektronenstrahlgravur, wovon sie hier einen Prototyp im Hell-Entwicklungslabor sehen.

Der Zylinder musste dabei in eine Vakuum-Kapsel versenkt werden, weshalb man im Firmenjargon ironischerweise den Prototyp das „U-Boot“ nannte. Er erreichte jedoch nie die Verkaufsfreigabe und wurde später von der Linotype-Hell AG ad acta gelegt.

Die elektromechanischen Graviermaschinen leben jedoch bis zum heutigen Tag in einer separaten Firma, der Hell Gravure Systems GmbG im Verbund mit dem Münchner Hersteller von Tiefdruckzylinder-Bearbeitungsmaschinen Kaspar Walter fort. Sie sehen hier den Helio-Klischograph K 406, der im Magazin- und Katalogdruck für Zylinderbreiten bis zu 5 Metern eingesetzt wird. Eine Teleskopabdeckung vermeidet Lärmbelästigung durch die hohe Gravierfrequenz.

Ich hatte schon das Entwicklungsgebiet der Bildfunkgeräte angesprochen, das Siemens Dr. Hell im Frühjahr 1948 überlassen hatte. Das Bild zeigt den tragbaren Bildsender S 977, der liebevoll Baby-Hell genannt wurde und bei Pressefotografen zu einem Kultobjekt avancierte.

Zu ihm gehörte im Verlag dieser Bildempfänger mit eingebauter automatischer Entwicklungseinrichtung, was damals nicht selbstverständlich war. Bei Fotolabors gab es nur Entwicklerschalen.

Nach wie vor war das Senden und Empfangen von Wetterkarten ein großes Anliegen von Dr. Hell. Das Bild zeigt ihn zusammen mit Mitarbeitern des Wetteramtes Hamburg bei der Begutachtung von mittels Hellschreibertechnik empfangenen Wetterkarten.

Das Kleinfax-Gerät KF 108 – hier mit der Siemens-Aufschrift versehen, jedoch bei Hell entwickelt und gefertigt – war 1956 seiner Zeit noch weit voraus aber mit seiner Trommel-Aufspannung noch nicht einfach zu bedienen.

1976 – zwei Jahre vor dem Auslaufens des 30-jährigen Vertrages mit Siemens – sah das Hell-Fax HF 1048 jedoch schon sehr handlich aus und entsprach auch bereits der internationalen Norm CCITT. Zudem kam es in einem modernen Design daher. Doch im Jahre 1978 mussten alle Bildfunkaktivitäten an Siemens zurück übertragen werden, wo man das fremde Kind vielleicht wenig schätzte und deshalb die Entwicklung gegenüber den Japanern verschlief.

Das betraf gleichermaßen den Hell-Wetterkartensender/empfänger WF 205, der hier in seiner letzten Ausführung zu sehen ist.

Dr. Hell hatte jedoch eine Anwendung der Faksimiletechnik für sich behalten können: die Großformatgeräte für die Ganzseitenübetragung von Zeitungsseiten.

Mit der Umstellung des Zeitungsdrucks von Buchdruck auf Offsetdruck waren viele Verlage mit ihren Druckereien auf die grüne Wiese vor der Stadt gezogen und dazu brauchte es eine Verbindung zwischen der Redaktion in der Stadt und der Druckerei am Stadtrand.

Während man in Japan und in Skandinavien schon früh die Faksimiletechnik dazu anwandte, erwachte Deutschland, bzw. die Bundes-Post erst Anfang der 1980er Jahre aus ihrem telekommunikativen Tiefschlaf, sodass erst zu diesem relativ späten Zeitpunkt diese Technik hierzulande Anwender finden konnte.

Das Bild zeigt den Empfänger der „Pressfax“ genannten Anlage. Gegenüber der Konkurrenz basierte das Gerät nicht auf der Trommelbauweise, sondern auf der Flachbettbauweise. Das erleichterte die Handhabung. Eine Entwicklungsstation schloss sich dem Gerät an.

Dass auch der Sender ergonomisch optimal ausgeführt war, zeigt dieses Bild.

Die Pressfax-Anlagen wurden in der Folge auf digitale Lasertechnologie umgestellt und mit neuartigen Datenkompressionsverfahren versehen. Die Übertragungszeit für eine Zeitungsseite betrug damit nur noch eine Minute. Mit einem RIP ausgestattet konnte der Faksimile-Empfänger auch zur Lichtsatzausgabe verwendet werden. Dies wies schon früh den Weg zur heutigen Praxis, statt des Umwegs über Faksimile-Signale die Computerdaten des Seitenumbruchs direkt zum Film- oder Plattenbelichter (CtP) zu übertragen.

Die Entwicklungsgeschichte des Farbscanners ist lang und begann schon 1936 bei Kodak in USA. Machen wir hier jedoch einen Sprung ins Jahr 1958.

Wieder war es ein allgewaltiger Technischer Direktor einer großen Tiefdruckerei mit Namen Charles (Charly) Cook bei Sun-Printers in Watford nördlich von London, der Dr. Hell und John Crosfield gleichzeitig den Auftrag erteilte, je einen Farbscanner zu entwickeln, wie ihn die Time Inc. in USA von ihrem Forschungslabor PDI erhalten hatte, aber nicht verkaufen wollte. Erst als die beiden Prototypen bei Sun-Printers in der Druckerei standen, erfuhren die beiden Konkurrenten vom Doppelspiel ihres Kunden.

Bei Hell war das der hier im Bild gezeigte „Colorgraph“, ein Ungetüm mit 500 Röhren im links stehenden Rechenwerk, das für sich alleine schon 8000 Watt Wärme abstrahlte. Die Elektronik brauchte eine ganze Stunde Anheizzeit, bevor sie verlässlich genug arbeitete.

Wegen der großen zu bewegenden Massen (Fotoplatten) kam es bei einem möglichen Maximalformat von 30×40 cm zu extrem langen Scanzeiten von mehreren Stunden. Trotzdem wurden 24 dieser Anlagen in Deutschland, England, Frankreich, UdSSR und USA abgesetzt.

Die europäische Scannerherstellung war durch die Amerikaner behindert worden, indem die Time Inc. Kodak verbot, die Konkurrenten mit den Panatomic X-Filmen zu beliefern und Crosfield und Hell deshalb auf Fotoplatten ausweichen mussten.

1965 war es dann soweit, dass die europäischen Filmhersteller den Vorsprung von Eastman Kodak in der Entwicklung aufgeholt hatten und somit Crosfield und Hell auf die Trommel-bauweise mit geeigneten Filmen umsteigen konnten. Die lange Reihe der Chromagraph-Scanner begann bei Hell ihren Siegeszug.

Im Bild ist der Combi-Chromagraph 288 zu sehen, der erstmals mit Masken Texte und Bilder von 3 Abtasttrommeln auf eine rechts abgedeckte Aufzeichnungstrommel belichten konnte. Eine Sensation zur damaligen Zeit!

Da bis dahin die Scanner nur im Maßstab 1:1 die Vorlagen bearbeiten konnten, arbeitete man sowohl bei Hell als auch bei Crosfield an einem Vario-Scanner. John Crosfield (90) schrieb in seinen Memoiren, dass sein Forschungsleiter auf die Idee gekommen sei, die Abtastdaten zwischenzuspeichern und danach je nach Format beschleunigt oder verzögert auszugeben.

Als man die Patentsituation sichtete, musste man mit Entsetzen feststellen, dass Dr. Hell nur wenige Monate zuvor das gleiche Prinzip zum Patent angemeldet hatte. Da keine Ausweichlösung bestand, sei er sofort zu Dr. Hell nach Kiel gereist, um ihn um eine Lizenz zu bitten.

Und so kam es zu einem wahren Gentlemen-Agreement. Sicher halfen dabei die gemeinsamen Kriegserinnerungen und das Hintergangenfühlen vom gemeinsamen Kunden bei Sun-Printers zu Beginn der Scanner-Entwicklung. Dr. Hell gewährte John Crosfield eine Lizenz.

So konnte bei Crosfield der Magnascan und bei Hell der Chromagraph DC 300 entstehen, der im Bild bereits mit einem Laserzusatz zu sehen ist.

Um das Ergebnis der Scanner-Farbkorrektur als „Softproof“ mit Imitation der Papierweiße sichtbar zu machen, wurde besonders für Tiefdruckereien das Combiskop entwickelt. Es enthielt den ersten hochauflösenden Bildschirm.

Aus den Scannern entwickelten sich die Bildbearbeitungssysteme, wie hier das Chromacom, das trotz ihres hohen Preises von mehreren Millionen DM weiten Absatz fand.

Es gab damals de facto weltweit nur drei Hersteller von diesen Systemen: Hell, Crosfield und Scitex.

Man kann sich ausmalen, was dies für diese Firmen bedeutete, als quasi über Nacht Apple Macintoshs und PCs mit Photoshop-Software „from the shelf“ diese Arbeiten zu einem Bruchteil der Kosten übernehmen konnten.

Die Entwicklung des Foto- und Lichtsatzes ist fast so alt wie die des maschinellen Bleisatzes und reicht bis zum Jahre 1893 zurück.

Erst als eine Kathodenstrahlröhre ins Spiel kam, fühlte sich Dr. Hell, der ja darin schon vom Fernsehen her eine große Erfahrung hatte, angesprochen, bei der Entwicklung mitzumischen. Er tat dies dann aber auch sehr gründlich.

Während bei der K.S. Paul-Fotosetzmaschinen, die in der Linofilm 1010 aufging, die Schriftzeichen von einer Fotomatrix abgescannt und simultan, also ungespeichert über eine Kathodenstrahlröhre ausgegeben, bzw. über eine Optik auf Film projiziert wurden, kam Dr. Hell auf die Idee, die Schriftzeichen vorher zu digitalisieren, in einem Speicher abzulegen und von dort beim Setzen abzurufen. Die Leistung konnte dadurch von 100 auf über 1000 Zeichen pro Sekunde gesteigert werden.

Es entstand so der erste Digiset 50 T1 – Dr. Hell legte Wert auf die maskuline Bezeichnung seiner Lichtsetzmaschine – von dem sie hier das Innenleben bewundern können. Vorgestellt wurde er auf der TPG-Messe 1965 in Paris und ein Jahr später auf der Hannover-Messe. Kurz danach wurde er auch in USA gezeigt.

Im Herbst 1966 ging er erstmals bei der dänischen Telefongesellschaft KTAS in Kopenhagen beim Satz von Telefonbüchern in Betrieb. Der 2. Digiset wurde an den Axel Springer Verlag in Hamburg geliefert, die damit die Programmspalten ihrer Fernsehzeitschrift „Hör zu“ erstellten.

Anfangs mussten noch alle Schriftzeichen mit der Hand gezeichnet, ausgezählt und die Daten der Längeneinheiten in Lochstreifen gestanzt werden, bevor die kompletten Schriften in den Digiset-Speicher eingelesen werden konnten. Erst in den 1970er Jahren begann man, diese Arbeit automatisierende Schriftzeichenscanner zu entwickeln.

Es mussten auch spezielle Schriften für den Lichtsatz und den Digiset entwickelt werden, wozu der eiter der Hell-Schriftenabteilung Peter Käpernik – im Bild links – den renommierten Darmstädter Schriftengestalter und Gutenberg-Preisträger, Prof. Hermann Zapf – im Bild rechts – gewinnen konnte.

Zu einem Lichtsatzsystem gehört natürlich auch ein Satzrechner für die Silbentrennungsprogramme, wie sie mit DOSY bestanden, wozu Siemens zu Beginn ihren Großrechner 3003 einzusetzen wünsche, der im Bild zu sehen ist. Im Vordergrund ist noch die Lochbandeingabe zu sehen, die später durch eine Magnetbandeingabe ersetzt wurde.

Die Großrechner waren jedoch für Druckereien eine zu teure Lösung, wenn sie damit nicht auch ihre kommerzielle Datenverarbeitung verbinden konnten oder wollten. Man suchte deshalb einen einfacheren Prozessrechner, der in dem Siemens-Rechner 404 gefunden wurde.

Dieser Siemens 404 war praktisch baugleich mit der Z 31 von Konrad Zuse, bevor Zuse sein Werk in Bad Hersfeld aus finanziellen Gründen an Siemens verkaufen musste.

So ergab sich in der Biografie die Möglichkeit, auf Parallelen zwischen Rudolf Hell und Konrad Zuse hinzuweisen. (Ähnliche Biografie in der Jugendzeit).

Viele periphere Geräte wurden noch zum Digiset entwickelt, wie dieser Digigraph 40 A 20 zum Digitalisieren von Signets.

Wenn heute die Funktionen der damaligen Lichtsetzmaschinen jedermann an seinem PC durchgeführt werden kann, so muss darauf hingewiesen werden, dass ohne die Ideen von Dr. Hell und die schweißtreibende Arbeit seiner Ingenieure dies nicht möglich geworden wäre.

Die durch die enorme Leistungsdichte erzielte Verkleinerung der Rechner hat dies allein nicht bewirkt. Die Software wurde weitgehend Allgemeingut, weshalb heute die auf Massenabsatz ausgerichteten Programme preiswert und für jedermann erschwinglich zu erhalten sind.

Als verantwortungsbewusster Unternehmer war Dr. Hell stets darauf bedacht, sein Produktionsprogramm (Produkt-Portfolio) so breit wie möglich anzulegen, um gegen Konjunkturein-brüche durch Splitten des Risikos gefeit zu sein. Diversifikation nennt man das in der heutigen Management-Sprache.

Er diversifizierte jedoch nur in Gebiete, die eine gewisse Verwandtschaft zu seinem angestammten Entwicklungsgebiet hatte und er so die Anwendung bereits bestehender Grundtechniken multiplizieren konnte.

Ein solches Diversifikationsprodukt war das Matrizengerät für Vervielfältiger, das er in den 1950er und 1960er Jahren in einer Stückzahl von rund 160 000 und einem Vertriebserlös für Hell von 45 Mio. DM ( 3000 DM pro Gerät) an die bekannte Vervielfältiger-Firma Gestetner in London lieferte.

Vervielfältiger arbeiteten zu dieser Zeit mit Wachsschablonen, die auf Schreibmaschinen durchschlagen wurden und so im Vervielfältiger den Text mehrfach auf das Papier brachten. Um auch Skizzen so vervielfältigen zu können, entwickelte er das Matrizengerät MAT, das auf der einen Seite die Skizzen Punkt für Punkt abtastete und auf der anderen Seite mit einer Brennnadel feine Löcher in die Matrize brannte, durch die die Farbe hindurch treten konnte.

Ein weiteres Produkt ergab sich in der Textilindustrie, wo beim Weben von z.B. Damast-Tischdecken eine Patrone, d.h. eine Steuer-Vorlage den Garnwechsel vorgeben musste.

Das dazu von Dr. Hell entwickelte Patro-System bestand aus einem Rechner (links), einem Trommelscanner in der Mitte zum Abtasten der Künstler-Vorlage und einer Vorrichtung zum Ausstanzen der erfassten Daten als „Jacquard-Karten“ (rechts) zur Steuerung der Webstühle.

Ich sagte schon, dass Dr. Hell das Gebiet der Verschlüsselungsmaschinen (Chiffriertechnik) auch nach dem Krieg nicht mehr losließ. Allein 14 Patente meldete er auf diesem Gebiet zwischen 1952 und 1976 auf seinen Namen an. Dieses Gebiet war bei Hell Chefsache.

Um 1952 waren nämlich im Auswärtigen Amt und im „Amt Blank“, dem späteren Verteidigungsministerium der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland Chiffrier-Abteilungen gegründet worden, die neue Verschlüsselungsmaschinen benötigten.

Das Bild zeigt eine solche Anlage mit einem Fernschreiber (links), dem Lochstreifengerät in der Mitte und der eigentlichen Verschlüsselungsmaschine (rechts).

Eine Weiterentwicklung der Verschlüsselungsmaschine zeigt dieses Bild. Natürlich unterlag auch nach dem Krieg alles einer strengen Geheimhaltung, sodass mir selbst ein dort beschäftigter Mitarbeiter die Funktion dieses Gerätes nicht genau erklären konnte. Er erinnerte sich nur, dass der kleine Einschub am Boden das „Hellchen“ genannt wurde.

In der Biografie ist das letzte Kapitel mit „Der Unternehmer und sein Unternehmen“ betitelt.

Das Bild zeigt das Werk I auf dem Gelände der Howaldwerft an der Schwentine-Mündung. Der ovale Kreis umschließt die Gebäude der Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH.

Das ehemalige Konstruktionsgebäude der Howaldwerke hat sich zu einem größeren Gebäudekomplex gemausert. Heute befindet sich darin eine Fachhochschule.

In diesem Kapitel wird u.a. das gute Verhältnis zum Haus Siemens hervorgehoben, das mit diesem Bild, das Dr. Hell mit Dr. Peter von Siemens zeigt, eine symbolische Verkörperung erfährt.

Das gute Verhältnis führte schon früh nicht nur zu einem Austausch von Produkten und Fertigungskapazitäten, sondern auch zu einer gestuften Beteiligung am schnell wachsenden Unternehmen Dr.-Ing. Rudolf Hell bis zur völligen Übernahme im Geschäftsjahre 1981/82.

Es wird aufgezeigt wie schnell das Unternehmen mit den erfolgreichen Produkten wuchs. Schon 1961 konnte neben dem Werk I in Kiel-Dietrichsdorf das Werk II in Kiel-Gaarden, das hier im Bild gezeigt wird, eingeweiht werden. 1967 kam das Werk III in Kiel-Suchsdorf hinzu. Die 3 Werke schlossen eine Gesamt-Fertigungsfläche von 43 000 m2 ein.

Im gleichen Maß wie die Fertigungswerke wuchsen, stieg auch die Mitarbeiterzahl. Waren es 1954 insgesamt 304 Personen, so wurden daraus 1443 im Jahr 1964 und 2079 im Jahr 1970.

Dr. Hell legte großen Wert auf ein gutes Betriebsklima. Zahlreiche Anekdoten ranken sich um seine stete Präsenz in seinen Werken, die zum Teil in der Biografie zur Auflockerung wiedergegeben werden – vielleicht kann ich einige in der nachfolgenden Diskussion erzählen.

Eine Besonderheit im sozialen Engagement für seine Mitarbeiter, wie Pensionskasse und Betriebskrankenkasse, stellte das Projekt „Bauernhaus“ dar. Es entstand, als das Werk III in Kiel-Suchsdorf erweitert wurde und ein altes Bauernhaus, das auf dem Gelände stand, der Spitzhacke zum Opfer fallen sollte.

Da meinte jemand, aus ihm ließe sich doch ein ideales Freizeit-Zentrum machen. Dr. Hell war über diese Idee seines Mitarbeiters so begeistert, dass er umgehend das Bauernhaus – im Bild zu sehen – als Zentrum der kulturellen und sportlichen Freizeitbeschäftigung aller Mitarbeiter herrichten ließ.

Um es auch in die Verantwortung der Mitarbeiter zu stellen und so von vorn herein jeden Zwang auszuschließen, wurde mit dem Bauernhaus-Verein e.V. eine eigenständige Organi-sation geschaffen, die von einem von den Mitgliedern gewählten Vorstand geführt wurde.

Ein großes Anliegen von Dr. Hell war auch die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, denn 40% der gewerblichen und 25% der kaufmännischen Hell-Beleg-schaft waren weiblichen Geschlechts – im gewerblichen Bereich hauptsächlich wegen der Fingerfertigkeit beim Zusammenstellen von elektronischen Steuerungen.

In der Lehrlingsausbildung (Azubis) stieg die Zahl von 25 im Jahre 1975 auf über 250 im Jahre 1980. Sie umfasste alle metallverarbeitenden Berufe, wie auch der Elektronik und der Konstruktion.

Eine ausgesprochene Besonderheit war schon früh bei Hell die Ausbildung von in- und ausländischem Kundenpersonal, als dies andernorts noch nicht als notwendig erachtet wurde.

Zwei Führungskräfte verdienen besonders hervorgehoben zu werden: Dipl.-Ing. Heinz Taudt (links), der Technische Direktor des Unternehmens – nach seiner Pensionierung leitete er in der Übergangszeit von Dr. Scheidt auf Dr. Falge die FOGRA in München – und Dr. rer. nat. Roland Fuchs (rechts) als Kaufmännischer Direktor. Zusammen mit Dr. Hell in der Mitte bildeten sie viele Jahre die Spitze der Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH.

In späteren Jahren wurde die Fertigungskapazität im Werk III in Kiel-Suchsdorf so weit aufgestockt, dass man nach und nach die doch sehr beengten Werke I und II aufgeben konnte.

Das war der Zustand, als 1995 die Heidelberger Druckmaschinen AG das Unternehmen übernahm. Wie war es dazu gekommen?

1966 war Dr. Hell persönlich von einem schweren Schicksschlag getroffen worden. Seine Frau Martha, mit der er 40 Jahre verheiratet war und die schon in der Berliner Zeit und später auch in Kiel die Freuden und Schmerzen der Aufbaujahre mit ihm geteilt hatte, starb an einem Krebsleiden.

Er, der vorher fast nie Urlaub gemacht hatte, fuhr mit seinem Segelboot irgendwo hin, um seine Trauer fernab zu durchleiden. Doch das Leben musste weitergehen und so half ihm sehr, dass er 1967 seine zweite Frau Jutta kennen lernte, die ihm auch eine Tochter gebar.

1971 hat sich dann Dr. Hell aus dem aktiven Dienst vollständig zurückgezogen und wechselte in den Aufsichtsrat des Unternehmens. 1972 hatte er früher als erwartet den Aufsichtsrat-Vorsitz zu übernehmen, da der Amtsinhaber von Siemens plötzlich gestorben war. Die Geschäftsleitung lag zunächst in den Händen der Herren Taudt und Dr. Fuchs, zu denen aus dem Haus Siemens Dipl.-Kfm. Ernst-Erich Marhencke kam.

Nach der Pensionierung von Taudt und Dr. Fuchs im Jahre 1980 bestand die Unternehmensspitze aus den Herren Marhencke als Sprecher der Geschäftsführung und Dr.-Ing. Klaus Wellendorf für die Technik und Dipl.-Kfm. Bernd Rusitska für den Kaufmännischen Bereich.

Im Geschäftsjahr 1986/87 kam es zu einem großen Einbruch in der Geschäftstätigkeit. Der Auftragseingang ging um 35% auf 400 Mio. DM und der Umsatz um 30% auf 451 Mio. DM zurück. Im Jahresergebnis hatte sich ein Fehlbetrag von 160 Mio. DM ergeben, der durch den Ergebnisabführungsvertrag von Siemens ausgeglichen wurde.

Erst 1988/89 kam man wieder in die schwarzen Zahlen zurück. Im Geschäftsjahr 1989/90 beliefen sich Auftragseingang und Umsatz wieder je auf 648 Mio. DM und der Jahresüber-schuss betrug 18,7 Mio. DM. Mit dieser Erholung konnte die Siemens AG in Verhandlungen mit der Linotype AG in Eschborn eintreten, um dem alten Wunsch des Linotype-Vorsitzen-den, Dr. jur. Wolfgang Kummer, nach einer Vereinigung beider Unternehmen näher zu treten.

Da Linotype seine Stärke im Textbereich und Hell im Bildbereich hatte schien diese Vereinigung logisch und für beide Seiten vorteilhaft. Am 1. Oktober 1990 wurde die Fusion beider Firmen zur Linotype-Hell AG vollzogen.

Diese Entscheidung kam jedoch viel zu spät und der Zeitpunkt war darüber hinaus ungünstig. Schon hatte nämlich die „Vierte Welle“ der Satz- und Bildrevolution die grafische Industrie erfasst, sodass bei den traditionellen Geräten und Maschinen ein enormer Preisverfall und Nachfragerückgang einsetzte.

1995 übernahm deshalb die Heidelberger Druckmaschinen AG die Linotype-Hell AG zur Realisierung der Vision ihres damaligen Vorstandsvorsitzenden, Hartmut Mehdorn, dem heutigen Bahn-Chef, den Druckmaschinenkunden ein Komplettangebot von Vorstufe bis Weiterverarbeitung anbieten zu können.

Es fehlte der innovative Geist in dem Unternehmen, den Dr. Hell verkörpert hatte. Hier ist eine Skizze von ihm zu sehen, mit der er seinen Mitarbeitern noch 1968 Hinweise zur Weiterentwicklung des Digiset gab.

Wie stark das Unternehmen Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH international vertreten war, verdeutlicht diese Weltkarte mit den eingetragenen Vertriebs- und Service-Niederlassungen.

Dr. Hell war ein passionierter Hochsee-Segler. Ich schätze mich glücklich, einmal auf seiner über 20 m langen „Bavaria III“ zu Gast sein zu dürfen. Sie war natürlich mit allen elektronischen Raffinessen ausgerüstet: Hellschreiber zum Empfang von Wetterkarten, doppeltes Echolot zur Seetiefenmessung, Elektrozügen an allen Bootswinden und einem Flautenmotor aus dem Mercedes 300.

Bei den Kieler Wochen diente seine Yacht oft der politischen Prominenz als Aussichts-Plattform. Im Bild ist im Hintergrund der Bundespräsident Heinrich Lübke und im Vordergrund der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Gerhard Stoltenberg, neben Dr. Hell mit Kapitänsmütze zu sehen.

Mehr als die zahlreichen Staatsoberhäupter, die er so in Kiel begrüßen konnte – u.a. waren dies auch Gustav Heinemann, Walter Scheel und Karl Carstens – dürfte dem Bayern und Katholiken der Besuch beim Papst in Rom bedeutet haben.

Dieser Besuch kam zustande, als auf Initiative von Gutenberg-Senator Hans Weitpert vom Belser Verlag in Stuttgart ein Reproduktionsstudio in der Vatikanischen Bibliothek eingerichtet wurde, um kostbare Bücher aus dem riesigen Schatz der Vatikan-Bibliothek zu faksimilieren und Papst Johannes Paul II den Mann kennen lernen wollte, der diese Geräte hervor gebracht hat.

Zahlreiche Ehrungen wurden Dr. Hell noch zu Lebzeiten zuteil. Da war zunächst, schon 1967, die Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes, gefolgt 1968 vom Ullstein-Ring im Gedenken an den großen Drucktechnik-Pionier Rudolf Ullstein.

Und am 9. Februar 1973 verlieh ihn die Technische Universität München die Würde eines Dr.-Ing. ehrenhalber, 50 Jahre nachdem er an dieser Hochschule studiert hatte.

Am 25. Juni 1977 wurde Dr. Hell als erster Techniker in den erlauchten Kreis der Gutenberg-Preis-Träger der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft und der Stadt Mainz aufgenommen. Die Laudatio auf ihn hielt Prof. Hermann Zapf, sein direkter Vorgänger als Preisträger. Das Bild zeigt ihn mit dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Jockel Fuchs, der kraft Amtes gleichzeitig Präsident der Gutenberg-Gesellschaft war.

Beide Reden, die Laudatio und die Dankesrede von Dr. Hell sind höchst nachlesenswert, können aber aus Zeitgründen hier auch nicht auszugsweise wiedergegeben werden. In der Biografie sind sie jedoch abgedruckt – es muss ja auch ein Ansporn bleiben, die Biografie zu erwerben und zu lesen.

Eine der größten Ehrungen wurde Dr. Hell am 13. Dezember 1979 zuteil: die Verleihung des Werner-von-Siemens-Rings, des Ehrenrings für Verdienste um die Naturwissenschaft und Technik.

Das Bild zeigt Dr. Hell in dem Moment, als er den Ring vom Vorsitzenden des Stiftungsrates, Prof. Dr.-Ing. Dieter Kind, in Empfang nehmen konnte. Anwesend waren auch der damalige Bundespräsident, Dr. Karl Carstens, und natürlich der Schirmherr der Stiftung und Aufsichts-ratsvorsitzende der Siemens AG, Dr. Peter von Siemens.

Ganz besonders muss ihn gefreut haben, dass auch sein Bruder Max Hell gekommen war, der Bauingenieur bei der Bundeswehr in Mannheim war und in Landau in der Pfalz wohnte. Er wurde übrigens 101 Jahre alt. Das Altwerden lag also in der Familie.

Gefreut haben muss ihn auch, ihm dem das gute Verhältnis zu den Mitarbeitern und dem Betriebsrat stets am Herzen lag, dass der Betriebsratsvorsitzende ihm beim 50-jährigen Betriebsjubiläum am 2. Mai 1979 einen Ehrenteller überreichte.

Im Bild ist von links der zeitlich erste Mitarbeiter Christian Sütel, der Betriebsratsvorsitzende Wilhelm Wulf und der spätere Siemens-Aufsichtsratsvorsitzende, Dr. Jochen Mackenrodt, neben Dr. Hell zu sehen.

1980 überreichte der Bundespräsident Dr. Hell das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland, also die höchste Auszeichnung, die dieses Land an seine Bürger vergeben kann, nachdem ihm 1967 schon das Verdienstkreuz zum Verdienstorden zuerkannt worden war.

In der Laudatio wurde dabei besonders die Verdienste Dr. Hells um die Ausbildung seiner Mitarbeiter und Azubis herausgestellt.

Danach kamen als besondere Auszeichnungen der grafischen Branche die „Robert F. Reed Technology Medal“ der Society of Fellows der nordamerikanischen grafischen Forschungs-organisation GATF und 1981 die FDI-Medaille der Führungskräfte der Druckindustrie in Deutschland, die ihm beim Drucker-Kongress 1981 verliehen wurde. (Bild: Dankesrede).

Im 19. November 1981 wurde Dr. Hell Ehrenbürger seiner Wahlheimatstadt Kiel. Das Bild zeigt ihn bei seiner Dankesrede vor der Ratsversammlung im Alten Kieler Rathaus.

Am 30. November 1987 wurde Dr. Hell in die Erfindergalerie des Deutschen Patentamtes in München aufgenommen. Er wurde damit für seine insgesamt 127 persönlichen Patente geehrt, die in der Biografie im Anhang alle mit Zusammenfassungen ihres Inhalts aufgelistet sind.

Mitte 2001, nur ein halbes Jahr vor seinem 100. Geburtstag, entschloss sich auch die Stadt Kiel eine Straße nach ihm zu benennen, nachdem seine Geburtsgemeinde dies schon 1984 getan hatte und die Stadt Heidelberg (neues Industrieviertel) dies posthum nachholte.

Das Bild zeigt links das damalige Heidelberg-Vorstandsmitglied, Wolfgang Pfizenmaier, rechts den damaligen Oberbürgermeister der Stadt Kiel, Norbert Ganser, und in der Mitte Dr. Hell beim Enthüllen des Straßenschildes der Straße, die zu seinem ehemaligen Werk führt.

Die größte Ehre wurde Dr. Hell jedoch vom Allerhöchsten zuteil, als er am 19. November 2001 im historischen Kieler Rathaus im Kreis von vielen Freunden, ehemaligen Mitarbeitern und Honoratioren der Stadt seinen 100. Geburtstag feiern konnte. Wie schon gesagt, durfte ich dabei die Laudatio auf ihn halten.

Das Bild ist das Letzte, das ich von ihm aufgenommen habe und zeigt links die damalige Stadtpräsidentin, Cathy Kietzer, und rechts seinen zeitlich ersten Mitarbeiter Christian Sütel, der ihm hier wohl eine Anekdote aus ihrem gemeinsamen Berufsleben zuflüstert.

Leider starb Dr. Hell nur knapp 3 Monate nach diesem Fest, am 11. März 2002, als habe er nur noch diesen Tag erleben wollen.

Auf dem Eichhof-Friedhof in Kiel, in der Nähe seines ehemaligen Werkes, fand er seine letzte Ruhestätte. Den Grabstein schmückt ein Segelschiff, dem ein Putto Wind in die Segel bläst und ein anderer an einer Treidelleine zieht.

Wenn es heute keine Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH mehr gibt, wie auch der Name Crosfield Electronics Ltd. und viele weitere, einst blühende Unternehmen der Druckstufen-Vorstufen-Branche verschwunden sind, so liegt das wohl im Wesentlichen in der Urgewalt einer technischen Revolution begründet, die in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren den ganzen Vorstufenbereich ergriffen hat.

Über den erklärbaren Niedergang der Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH und der Linotype-Hell AG, den Spekulationen über dessen Vermeidbarkeit und der Hoffnung der wenigstens teilweisen Weiterführung des Namens in Form der Hell Gravure Systems GmbH hinaus, stellt die Biografie dieses großen Wissenschaftler, Erfinders, Konstrukteur und Unternehmers jedoch ein leuchtendes Beispiel dafür dar, dass erfolgreiche Firmengründungen nicht nur in der Gründerzeit, sondern auch im 20. Jhd. im Schatten von Großkonzernen möglich waren und weiterhin möglich sind.

Dafür soll diese Biografie bei der jungen Generation werben und dafür haben meine Partner und ich diese Biografie niedergeschrieben.

 

Dipl.-Ing. Boris Fuchs, Frankenthal

Einschätzung der Entwicklung des Bogen- offsetdrucks im Rückblick auf die drupa2004

Bericht über das IDD/VDD-Seminar vom 8. Juli 2004 in Darmstadt

Prof. Dr.-Ing. Edgar Dörsam begrüßte im Namen von IDD und VDD den Referenten Dr.-Ing. Klaus Spiegel, dem er besonders dafür dankte, dass er trotzdem gekommen sei. Das Wort „trotzdem“ bezog sich dabei auf das erst kürzlich stattgefundene Ausscheiden von Dr. Spiegel aus dem Vorstand der Heidelberger Druckmaschinen AG. Das Referat erhielt dadurch eine besondere Aufmerksamkeit, kann es doch als eine Art Vermächtnis eines genialen Druckmaschinenkonstrukteurs gewertet werden, der über 21 Jahre als dienstältestes Vorstandsmitglied dieses größten Druckmaschinenherstellers der Welt die Entwicklung des Bogenoffsetmaschinenbaus geprägt hat. Zudem hatte das Thema Bogenoffsetdruck auch durch das gegenwärtige Jubiläum „100 Jahre Offsetdruck“ einen aktuellen Bezug, denn 1904, also vor genau 100 Jahren, entstanden mit der parallelen Doppelerfindung von Caspar Hermann und Ira W. Rubel in USA die ersten Bogenoffsetmaschinen.

Die drupa 2004 war keine Messe des Digitaldrucks

Dr.-Ing. Klaus Spiegel begann das ihm vorgegebene und von vornehmlich älteren VDD-Mitgliedern mit großem Interesse verfolgte Referat mit dem Hinweis, dass Frank Romanos (Prof. am RIT in Rochester, N.Y.) Prognose, die drupa2004 werde eine Messe der Digitaldruckmaschinen, nicht eingetroffen sei. Heute werde mehr gedruckt als je zuvor. Dabei sei die Formherstellung der konventionell druckenden Maschinen ebenso schnell zu bewerkstelligen, wie die der Digitaldruckmaschinen. Man könne deshalb sagen, dass der Digitaldruck vielleicht unbeabsichtigt zum Förderer des konventionellen Offsetdrucks wurde. Und warum wird mehr gedruckt? Das gedruckte Produkt setzt am Point of Sales Emotionen frei – das Papier vermittelt und verwandelt sich in Gefühle. Der Druckmaschinenbauer müsse sich deshalb bei all seinen Entwicklungsarbeiten stets die Frage vor Augen führen, was der Kunde von ihm erwarte. Nur dann habe der Absatz eine Chance.

Nach dieser Einleitung ging Dr. Spiegel auf die gegenwärtige Situation in der grafischen Industrie ein, die dem Fachmann hinreichend bekannt ist – das Seminar war eigentlich für die Studenten des IDD gedacht – und deshalb hier nur stichwortartig wiederholt werden braucht: Umsatzentwicklung 2003 gegen 2002 minus 4%, gegen 2001 sogar minus 9,5%, Zunahme der Insolvenzen 185, 8% weniger Druckereien gegenüber 2002. Überproportionale Insolvenzen bei Akzidenz-Rollenoffsetdruck und Zeitungsdruck. Basel II erschwert Kreditaufnahme. Allgemeine Zurückhaltung der Banken mit Krediten für Drucker. Geschäftsklima-Index ist seit dem Hoch in 2000 (88%) auf ein Tief in 2003 (81%) gefallen. Die drupa2004 habe zwar einen gewissen Schub gebracht, aber für wie lange? Trends: Fusionen und Kooperationen – die „Großen“ verlangen höhere Rabatte beim Maschineneinkauf. Die Leistungssteigerung der Maschinen führt zwangsläufig zu weniger Maschinenbedarf nach Stückzahl.

Als zukünftige Herausforderungen für die Druckereien ergeben sich daraus: Auf extrem kürzere Durchlaufzeiten bei den Aufträgen einstellen. Die Geschäftsprozesse, der Auftragsmix und die Kostenstruktur müssen analysiert und optimiert werden. Der Service ist horizontal und vertikal auszuweiten. Prozesseffizienz ist der Schlüssel zum Kundenerfolg. Daraus ergeben sich als Entwicklungsziele für den Druckmaschinenbauer: Parallelisierung der Rüstprozesse (Entkoppelung der Druckeinheiten /vollautomatischer Plattenwechsel), Ausweitung der integrierten Inline-Qualitätskontrolle (Inline-Bogeninspektion), auch Inline-Prozesse einschließen (Kaltleimfolien, Sonderkonfigurationen für die Personalisierung) und Applikationen wie UV, Hybrid, Drip-off, Verwendung von hochpigmentierten Farben und FM-Raster der 2. Generation sind zu berücksichtigen.

Speedmaster XL 105 mit 10% mehr Produktivität

Auf die Produkte der Heidelberger Druckmaschinen AG eingehend, stellte er die rhetorische Frage, was „Prinect“ dem Kunden bringe. Sie beschleunigt den Produktionsprozess, verbessert die Farbsicherheit und macht den Produktionsprozess transparenter. Prinect Color Solution stellt die optische Übereinstimmung zwischen Proof und Druck sicher, sorgt für einheitliche Rüstzeiten, unabhängig von Papier- und Farbkombination, und ermöglicht eine einfachere Überwachung und Einstellung während der Produktion. Die Bestrebungen von CIP4 erklärend, kam Dr. Spiegel auf „JDF“ (Job Definition Format) zu sprechen, denn die drupa2004 wurde im Vorfeld häufig als die „JDF-Messe“ apostrophiert. Dr. Spiegel sagte, man könne natürlich auch ohne JDF drucken, doch sei es besser, wenn die Schnittstellen vereinheitlich seien. Nach seiner Einschätzung brauche es jedoch noch drei bis fünf Jahre – dann werde JDF Allgemeingut sein. Die strukturierte Erfassung der Produktionsdaten erleichtere die exakte Nachkalkulation, verbessere die Voreinstellung und lasse den Produktionsstatus fernabfragen, was der Maschinenfehlerdiagnose zugute komme.

Danach stellte er den Suprasetter von Heidelberg vor, einen Plattenbelichter, der mit den Bedürfnissen des Kunden wachse. Seine Vorteile seien: übergreifende Modularität, flexibles Plattenhandhabungskonzept und die Ermöglichung von einfachen und schnellen Up-grades. Die Laser-Technologie von Heidelberg, wie sie in der Speedmaster SM 74 eingesetzt werde, garantiere hohe Belichtungsqualität auf 64 Kanälen. Die Maschine verfüge über einen Direktantrieb des Plattenzylinders und lasse sich durch die Modularität gut ausbauen.

In der Beschreibung der Heidelberger Bogenoffsetmaschinen fortfahrend, erklärte er die verschiedenen Konstruktionsprinzipien (große oder kleine Wendetrommeln) bei der Bogenwendung für den Schön- und Widerdruck. Die Speedmaster XL 105 stelle gegenwärtig das Flaggschiff der Heidelberger-Flotte dar, mit einer um 10% höheren Produktivität und sicheren (Anleger) 18 000 Bogen/Std. Die eigentliche drupa-Generation werde durch die Speedmaster SM 102/CD 102 repräsentiert. Damit verbinde sich auch eine neue Prepress-Generation. Die Maschinen verfügen über ein Höchstmaß an Automatisierung (Preset Plus bei an Anlage und Auslage, Hycolor bei Farb- und Feuchtwerk) und schließen auch das „Perfecting Coating“, eine doppelseitige Inline-Lackierung mittels Aniloxwalze ein.

Die Konkurrenz schläft nicht

Dr. Spiegel ging auch auf Konkurrenzprodukte ein und erwähnte dabei zuerst die ausländische Konkurrenz, die auf der drupa2004 diesmal besonders massiv aufgetreten ist. Da seinen zunächst die Beiren 200 und 300, sowie die Akiyama eXtreme 40, beide aus China. Desweiteren nannte er nur die Screen TruePress 344 aus Japan. Manche mögen bei dieser Auflistung im Halbformat Adast, Hamada, Komori, Oliver, Polly, Ryobi, Manugraph und Shinohara und im Mittel- und Großformatformat die Mitsubishi Diamond-Serie vermisst haben. Bei den inländischen Großformat-Maschinen nannte er die KBA-Rapida 185 und 205, sowie die MAN Roland 900 XXL. Höhere Geschwindigkeiten wiesen nach Dr. Spiegel die MAN Roland 700 sowie die KBA Rapida 74 und 105 auf – letztere auch im Großformat. Ein neues Design – immer wichtiger werdend – stellten die MAN Roland 700, die Komori Lithrone 640, alle KBA-Maschinen, die Akiyama eXtreme 40 und die Beiren-Maschinen vor. Auch bei den Konkurrenzmaschinen seien die Inline-Prozesse und die Applikationen, wie UV-Technologie, Kurzfarbwerke (Gravuflow), Direktantriebe (entkoppelte Druckerwerke) und die seitenmarkenfreie Bogenausrichtung hervorgehoben worden. Damit schloss Dr. Spiegel seinen mit viel Beifall aufgenommenen Vortrag und stellte sich den Fragen des sachkundigen Auditoriums.

Die etwas spezifische Frage eines ehemaligen Chefkonstrukteurs nach dem Zylinderdurchmesser bei einer bestimmten Heidelberger Bogenoffsetmaschine beantwortet Dr. Spiegel mit 310 mm, wobei er hinzufügte, dass nach wie vor keine Längswelle zum Einsatz kommt, nur Stirnradverbindungen von hoher Steifigkeit.

30-40% der Großformatmaschinen gehen angeblich nach Italien. Die Auflagenhöhen in Zentral-Europa seien wegen der verschiedenen Sprachen eher klein, was den Absatz der Großformatmaschinen einschränke. Der osteuropäische Markt entwickle sich ähnlich wie der zentral-europäische.

Bei den Schön- und Widerdruckmaschinen spricht der Fachmann je nach Anzahl der eingeschlossenen Druckeinheiten von „Kurzperfektoren“ und „Langperfektoren“ Letzte seien eine Domäne des europäischen Marktes (beidseitiger Mehrfarbendruck mit Inline-Nachbehandlung), während in Asien erstere vorgezogen werden (mehrer Durchgänge).

Auf die Einsatzmöglichkeit von Kurzfarbwerken auch bei Bogenoffsetmaschinen angesprochen, erklärte Dr. Spiegel, dass diese in Verbindung mit FM-Raster eigentlich ideal wären. Nur werde das Ganze durch die erforderlichen Zusatzeinrichtungen, wie Temperierung der Walzen, nicht billiger. Er erwarte jedoch, dass die nächste drupa dazu einige Ansätze bringen werde.

Bei einigen ausländischen Konkurrenzmaschinen stelle man fest, dass der Flexibilität eine höhere Priorität beigemessen werde, als der Optimierung auf ein einziges Produkt. Dies treffe besonders für Mitsubishi zu.

Bogenanleger mit vorgeschalteten Rollenschneidern machen nur Sinn in Ländern, wo Rollenpapier preiswerter als Bogenpapier zu haben ist – so z.B. in USA und China.

Was die aufstrebende chinesische Konkurrenz und die angestrebte Fertigung auch deutscher Maschinen in diesem Billiglohnland anbelangt, so glaubt Dr. Spiegel, dass für noch eine geraume Zeit dort keine komplexen Bogenoffsetmaschinen montiert werden können – mittelfristig müsse man jedoch damit rechnen. Es entstehen in China neben den staatlichen Großbetrieben viele kleine Unternehmen, die jedoch vorerst nicht in ausländischer Währung bezahlen können.

Eine Frage nach dem ansteigenden Flexodruckmarkt und wie sich die Bogenoffsetmaschinenhersteller darauf einstellen, beantwortete Dr. Spiel mit dem Hinweis auf die Vorstufe, bzw. die Druckplattenherstellung (höherer Zeitaufwand und höhere Kosten). Dass Heidelberg darin ein gewisses Potenzial sehe, beweise die Beteiligung an der Schweizer Firma Gallus.

Zum Schluss stellte Prof. Dörsam die Frage nach ganz neuen Konzepten im Bogenoffsetmaschinenbau, ähnlich dem von Harold Dahlgren mit seiner „Hustler“ Anfang der 1970er Jahre (Bogentransport mittels Stahlband, extremes Kurzfarbwerk). Er führte dazu als Anregung die Leichtbauweise und den Direktantrieb aller Zylinder und bewegten Transportelemente an. Jungingenieure müssten doch nach solchen Herausforderungen förmlich lechzen. Dr. Spiegel antwortete darauf, dass die Steifigkeit der Konstruktion, die für ein gutes Farbregister unumgänglich ist, das oberste Primat im Druckmaschinenbau darstelle. Auch bei Digitaldruckmaschinen sei dies trotz elektronischer Kompensierbarkeit unumgänglich und die Leichtbauweise nur bei kleinen Formaten möglich. Ein neues Konzept werde nur dann in Erwägung gezogen, wenn es wesentlich billiger zu werden verspricht.

 

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

Digitaldruckverfahren – Herausforderungen und Chancen

Der Referent, Herr Dr. Martin Schleusener, hat freundlicherweise zum folgenden Kurzbericht den Vortrag als PDF-Bericht (ca. 2,9 MB) zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen der IDD-VDD-Seminarreihe fand am 22. Januar 2004 ein Vortrag von Herrn Dr. Martin Schleusener von der Firma Océ Printing Systems GmbH mit Standort in Poing/München statt. Océ ist ein im Bereich s/w-Druck weltweit führendes Unternehmen mit Stammsitz in den Niederlanden, das unter anderem Kopierer und Hochleistungsdrucker produziert. Der Name des Unternehmens stammt aus der Muttergesellschaft und stand ursprünglich für „OK“.

In der letzten Zeit ist bei vielen Herstellern ein Rückgang bzw. eine Stabilisierung im Bereich der digitalen Drucksysteme festzustellen. HP kaufte Indigo auf und stieg in den Professional Electronic Printing ein. Kodak kaufte Scitex Digital auf und stieg wieder in den Professional Electronic Printing ein. Bei Océ und Siemens haben sich eine stabile Entwicklung im s/w- Druck sowie ein langsamer Einstieg in den Mehrfarbendruck abgezeichnet.

Was sind die Ursachen für die gegenwärtige Situation des Digitaldrucks? Ist die so genannte „Blase“ geplatzt? Ist die wirtschaftliche Sättigung erreicht?

Hinsichtlich der Printmedien lassen sich folgende Trends geben:

  • Die Informationstechnologie wird der dominierende Wirtschaftszweig.
  • Die Non-Print-Medien wachsen jährlich zweistellig.
  • Die Printmedien wachsen langsamer.
  • Die Struktur der Printmedien wandelt sich.

Somit gilt es für konventionelle Druckmaschinen

  • kürzere Rüstzeiten,
  • vereinfachte Druckwerke,
  • Druckwerke über Netze sowie
  • Ct-Plate- und Ct-Press-Verfahren

anzustreben.

Für NIP-Verfahren (NIP: Non-Impact-Printing) dagegen bedeutet dies

  • eine höhere Qualität,
  • eine höhere Druckgeschwindigkeit,
  • niedrigere Seitenkosten sowie
  • mehr Farben

zu verwirklichen.

Es existieren zahlreiche NIP-Verfahren. Manche unterscheiden sich technologisch nur wenig voneinander. Die wichtigsten sind: Elektrofotografie, Magnetografie, Ionografie, Ink Jet sowie Toner Jet. Keine der verwendeten Technologien kann als universell betrachtet werden. Vielmehr eignen sich die einen besser für kleine Auflagen, die anderen eher für hohe Druckgeschwindigkeiten. Andere zeichnen sich durch eine einfach aufgebaute Druckeinheit aus.

Die Hochleistungsdrucker von Océ funktionieren nach dem Prinzip der Elektrofotografie. Das Kernstück dieser Drucker ist der Zeichengenerator, der heute mit LEDs anstelle des konventionellen Laserstrahllinsensystems ausgestattet ist. Die LEDs bieten den Vorteil einer ortsfesten Lage, die das schwingungsfreie Drucken mit höherer Geschwindigkeit und höherer Lichtausbeute ermöglicht.

Bei der Elektrofotografie werden folgende Fotoleitersysteme, eingeteilt nach Schichtdicke, eingesetzt:

  1. Dicke Schichten: Haben das Problem der begrenzten Ladungsbeweglichkeit und damit der niedrigeren Geschwindigkeit (werden heute überwiegend verwendet).
  2. Dünne Schichten: Kleinere Punkte als bei dicken Schichten sind möglich.
  3. Mehrschicht-Aufbau: Ermöglicht Geschwindigkeiten von 3 m/s sowie eine sehr gute Bildqualität, ist aber teuer.

Toner

Die Toner werden nach dem Schmelz-Mahl-Verfahren hergestellt. Heute gibt es ein neues Verfahren, bei dem der Toner chemisch nach der Keimtechnologie entsteht. Der Vorteil der neuen Technologie liegt in der Möglichkeit, Gestalt und Größe der Tonerteilchen im Voraus zu bestimmen. Die Oberfläche der Teilchen ist sehr fein. Außerdem ist diese Technologie preiswerter als das Schmelz-Mahl-Verfahren. Mit diesem Verfahren konnte eine Teilchengröße von kleiner 5 µm verwirklicht werden.

Druckerauflösung

Bei der Druckerauflösung ist zwischen der physikalischen Auflösung, definiert als kleinster druckbarer Punktdurchmesser, und der Adressierbarkeit, also dem Rasterabstand der Mikropixel, zu unterscheiden.

Vierfarbendruck

Elektrofotografische Vierfarbendrucker können nach folgenden Bauformen eingeteilt werden:

  • Transfer-Drum-Prozess,
  • Tandem-Prozess,
  • Double-Transfer-Prozess sowie
  • Single-Drum-Prozess.

Das Direct-Imaging-Verfahren von Océ ist gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

  • Bogendruck: 25 Bogen/min.
  • Druckbreite: 301 mm.
  • Auflösung: 400 x 1600 dpi.
  • Schnittstelle: PostScript/PDF.
  • 7-Farben-Drucker, wobei die Farben nebeneinander aufgetragen werden (keine Überlappung).
  • Leitfähiger Magnettoner.

In absehbarer Zeit soll ein neuer Hochleistungsdrucker von Océ vorgestellt werden. Dieser Drucker arbeitet mit sieben Farben und ermöglicht einen sehr dünnen Farbauftrag. Diese Technologie bietet nicht nur Qualitätsvorteile sondern auch Vorteile hinsichtlich Tonereinsatz und -kosten.

Eine große Chance hat der Digitaldruck zukünftig nur dann, wenn folgende Bedingungen eingehalten werden:

  1. Die Wirtschaftlichkeit gegenüber Offsetdruck muss erhöht werden. Die digitalen Druckverfahren müssen bis zu einer Auflage von 5000 Exemplaren günstiger als die konventionellen Druckverfahren sein. D.h., die Kosten pro Seite müssen sinken. Heute sind die digitalen Verfahren nur bei einer Auflage unter 500 Exemplaren günstiger.
  2. Die Codierungssprache soll vereinheitlicht werden.
  3. Die Maschinenauslastung und -flexibilität sollen erhöht werden.
  4. Der Mehrfarbendruck und die Druckqualität sollen verbessert werden.
  5. Die Maschinenverfügbarkeit soll erhöht werden.

FM-Raster in der Praxis von Bogen- und Rollenoffsetdruck

Das IDD der TH/TU Darmstadt bildete zu Beginn der 1980er Jahren die Keimzelle einer neuen Raster-Technologie, der man in Analogie zur Funktechnik den Namen „Frequenz-modulierte = FM Rasterung“ gegeben hat, während man bei der konventionellen Raster-Technologie von der „Amplituden-modulierten = AM Rasterung“ sprach. Was war geschehen? em. Prof. Dipl.-Ing. Karl R. Scheuter (85), der zu diesem IDD-VDD-Seminar kurz vor Weihnachten speziell von seinem Wohnsitz in Thun, Schweiz, angereist war und in den 1980er Jahren dieses Umdenken als Ordinarius des IDD in die Wege geleitet hat, erklärte dies in einem Statement am Ende des überaus informativen Referats und Praxisberichts von Ulrich Stetter, Absolvent der HdM in Stuttgart und schon seit einigen Jahren Technischer Leiter des Druckhauses Bayreuth, mit dem folgenden Wortlaut, den der Berichterstatter zur Verdeutlichung des Entwicklungsweges von FM an den Anfang gestellt hat:

Prof. Karl R. Scheuter:„Der Weg zum FM-Bildaufbau – ich vermeide den Begriff FM-Raster, weil unsere Vorstellung vom idealen Bildaufbau rasterlos ist – hat eigentlich schon um 1960 begonnen, als ich noch bei der Maschinenfabrik WIFAG in Bern, Schweiz, die Druckmaschinen-Konstruktion leitete. Auslöser war ein Lichtdruck (Druck von einer mit Kaliumbichromat sensibilisierten Gelatineschicht auf einer Glasplatte, wobei während der Belichtung und anschließenden Trocknung eine Runzelkornbildung auftritt), der mir von amerikanischen Geschäftsfreunden gezeigt wurde und der eine so hohe Detailschärfe aufwies, wie ich sie nur von Profi-Fotos her kannte.

Dass es zwei Jahrzehnte dauerte, bis ich mich den Dingen richtig annehmen konnte, lag daran, dass die dazu erforderlichen Mittel in einer Maschinenfabrik nicht vorhanden waren und ich mich bei meiner Berufung 1966 auf den Lehrstuhl des IDD in Darmstadt anderen, dringenderen Dingen und Aufgaben zuwenden musste, wie der Entwicklung der theoretischen Grundlagen der Bildübertragung (Dissertation von Dr.-Ing. Klaus Wolf , 1970) und dem Nachweis ihrer Gültigkeit (Dissertation von Dr.-Ing. Roland Hradezky, 1977). Im Übrigen war es wohl so, dass wir bei der Aufnahme der FM-Entwicklung in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre den frühest möglichen Zeitpunkt vorfanden, dessen Stand der Technik einen Erfolg erst wahrscheinlich erscheinen ließ.

Ich bin sicher, dass unsere Arbeit, die in die Dissertation von Dr.-Ing. Gerhard Fischer 1986 mündete, die erste auf diesem Gebiet war. Die wichtigsten Zeugen dafür sind natürlich die uns als Erfinder nennenden nachfolgenden Patente. Die Dissertation Fischer wurde am 28.1.1986 eingereicht und trägt das Erscheinungsdatum 1986. Das erste Patent, welches jene Technik umfasst, die allgemein als FM-Raster bezeichnet wird, nämlich DE 293 109, bzw. EP 0 032 908, weist die Priorität 31.7.1979 auf. Da wir damals viel veröffentlichten, basieren wohl alle übrigen bisher bekannt gewordenen FM-Raster darauf.

Doch unsere Vorstellung von einem rasterlosen Bildaufbau war, wie bereits gesagt, eine andere. Vereinfacht ausgedrückt, wird bei der seitherigen FM-Technologie ein Raster über die Vorlage gelegt und die Tonwerte der Raster-Teilflächen gemessen. Anschließend wird die zur Erzeugung des jeweiligen Tonwertes notwendige Anzahl der Druckpunkte konstanter Größe berechnet und in den entsprechenden Rasterteilflächen stochastisch (zufallsbedingt) verteilt. Ein FM-Raster-Bild ist somit, anschaulich gesagt, ein autotypisches Bild, dessen Rasterpunkte in Teilflächen gleicher Größe explodiert sind. Die höhere Bildschärfe des FM-Raster-Bildes entsteht bei gleicher Rasterfrequenz – das scheint heute die Regel zu sein – nur durch den Wegfall der Rosetten.

Die Größe der Rasterteilflächen – und damit der Rasterfrequenz – eines FM-Raster-Bildes folgt zwangsläufig aus der gewünschten Anzahl der Tonwertstufen und der gewählten Druckpunktgröße. Für beispielsweise 64 Tonwertstufen und 10 µm-Druckpunkte ergibt sich eine Teilflächenbreite von 80 µm, also eine Rasterfrequenz, d.h. Bildauflösung von 125 / cm. Betrachtet man 64 Tonwertstufen und 10 µm für die Punktgröße als praktische Minimalwerte, dann heißt das eben auch, dass die FM-Raster-Technik keine Bildauflösung über 125 / cm zulässt. Zum Vergleich: Der Lichtdruck erreichte schon vor 135 Jahren (Josef Albert 1868) eine Bildauflösung von rund 400 / cm und die Profi-Fotografie eine solche von 1000 / cm.

Einen echten FM-Bildaufbau beschreibt unser Patent EP 0 074 422 vom 12.9.1981. Die Vorlage wird danach in ihre Bilddetails zerlegt und die Tonwerte jedes dieser Details gemessen. Anschließend wird die zur Erzeugung des jeweiligen Tonwertes notwendige Anzahl der Druckpunkte konstanter Größe berechnet und die Druckpunkte dann in der entsprechenden Detailfläche stochastisch verteilt. (zum Verständnis: Als Bilddetail gilt eine konturierte Teilfläche des Bildes, in welcher die örtlichen Tonwerte innerhalb eines definierten Toleranzbereiches konstant sind).

Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass die maximal mögliche Abtastfrequenz, d.h. die maximal mögliche Bildauflösung, nur durch die gewählte Druckpunktgröße festgelegt ist. Ein 10 µm-Druckpunkt würde somit eine Bildauflösung von 1000 / cm ermöglichen. Damit wäre es möglich, die Qualität des gedruckten Bildes der Qualität einer Profi-Fotografie grundlegend anzugleichen. Ich weiß natürlich, dass beim heutigen Stand der Technik dieses Ziel nicht unmittelbar erreicht werden kann. Doch mit den Vorarbeiten könnte man bereits beginnen“.

Dieses Statement wurde vom mehrheitlich fachkundigen Publikum mit einem spontanen Szenenapplaus aufgenommen und Prof. Dr.-Ing. Edgar Dörsam als Moderator dieses Seminars versprach, diesen Gedanken bei seinen zukünftigen Planungen von Forschungsvorhaben zu berücksichtigen, entspreche er doch seiner Intention, das Offset-Druckverfahren für seine Zukunftssicherung weiter zu entwickeln (siehe seine Rede bei der VDD-Jahrestagung 2003 in Düsseldorf).

Nun aber zum Vortrag von Ulrich Stetter, der vor allem den Druckqualitätsgewinn und die Wirtschaftlichkeit durch Einsatz von FM-Rasterung zum Inhalt hatte. Das Druckhaus Bayreuth beschäftigt 120 Mitarbeiter, besitzt eine umfangreiche Zeitungsvorstufe, Bogen- und Heatset-Rollenoffsetmaschinen, eine Zeitungsrotation für 4 Tageszeitungen und eine vollstufige Verarbeitung und Logistik. 100% aller Produkte im Heatset-Rollenoffsetdruck werden heute mit 20 µm-FM-Rastern und 90% aller Bogenoffset-Produkte mit 10 µm-FM-Rastern hergestellt.

Auch Ulrich Stetter begann seine Ausführungen mit einem historischen Rückblick, wobei er neben der Würdigung der Arbeiten von Prof. Scheuter und seinem Team am IDD die frühe Veröffentlichung in USA von Floyd & Steinberg aus dem Jahre 1976 erwähnte, die auf die Bürokommunikation (Kopiertechnik) und weniger auf den Druck abzielte, aber bereits auf die Schwierigkeiten mit dem Rauschen bei den Mitteltönen hinwies. Es wurde in dieser Veröffentlichung kritisch erwähnt: „Die Zufallsverteilung von Punkten erhält hier eine zusätzliche Gewichtung durch Regelbildung für das Verhalten von Nachbarpixeln. Die Detailabbildung ist bereits gut, doch in den Tiefen sind noch Wellenformen erkennbar. In weiteren Versuchen wurde dies reduziert, dann kam es aber zu Rauschen in den Mitteltönen“.

Auf die kommerzielle Seite der Vermarktung der ersten FM-Raster eingehend, erwähnte er, dass die FM-Raster der 1. Generation noch diesen Mangel aufwiesen. Da war zunächst das FM-Raster, das von der Firma „Bilda“ von Dr. Jean Fischer & Partner in Darmstadt entwickelt wurde und dann nach der Praxiserprobung durch Dieter Maetz über die Reproanstalt Vignold zu Beginn der 1990er Jahre an Agfa als „CrystalRaster“ verkauft wurde. Fast zur gleichen Zeit kam von Linotype-Hell das „Diamond Screen“ heraus. Wegen des Rauschens, aber auch, weil bei der Filmkopie fast Reinraum-Bedingungen vorzuliegen hatten und der optische Kopierprozess die Feinheit der Bildpunkte begrenzte, war die Einführung eher schleppend.

Erst mit der Durchsetzung der CtP-Technologie mit dem Vorreiter Zeitungsdruck ab Mitte der 1990er Jahre konnte die FM-Rasterung einen Durchbruch auch im Akzidenzbereich erzielen, wobei die von Dr. Jean Fischer vorgeschlagenen Hybrid-Systeme, wie Agfas „Sublima“ (Lichter und Tiefen in FM, Mitteltöne in AM) das Rauschen umgingen. Schließlich kamen aber FM-Raster der 2. Generation auf, die durch Weiterentwicklung der mathematischen Algorithmen und Änderungen bei den Verknüpfungen das Rauschen überwanden. In Bayreuth setzt man heute das „Staccato“ von Creo ein, das zu diesen FM-Rastern der 2. Generation gehört. Die Druckpunkte messen dabei 10 und 20 µm. Auch das „Satin Screening“ von Heidelberg ist als ein FM-Raster der 2. Generation zu benennen, scheint aber noch nicht in der Entwicklung ganz abgeschlossen zu sein.

Während bei einem autotypischen AM-Raster die Randlänge der Rasterpunkte auf einer 1×1 mm messenden Fläche nur 9,3 mm groß ist, beträgt diese bei einem 20 µm-FM-Raster 100 mm und bei einem 10 µm-FM-Raster gar 200 mm. Es ist deshalb verständlich, dass der Lichtfang-Effekt bei FM-Rastern entsprechend größer auftritt und deshalb die Punktzunahme bei Densitometer-Messungen entsprechend hoch ausfällt. Statt Densitometer müssen deshalb bei FM-Rastern spektralfotometrische Messungen zur Kontrolle durch Farbvergleiche eingesetzt werden.

Diesem vermeintlichen Nachteil stehen jedoch die verbesserte Nutzung der Farbpigmente (ca. 15% weniger Farbverbrauch), der reduzierte Einfluss der Papierfärbung (das Papier erscheint weißer) und der erweiterte Farbraum (andere Farbwirkung durch Lichtfang-Effekt) als Vorteile gegenüber. Auch reagieren FM-Raster weniger auf Registerstörungen, was das britische Pira-Forschungsinstitut bereits früher festgestellt hat (für 0,15 mm Registerdifferenz liegt das DE bei FM bei nur 0,8-1,6, während bei AM ein DE von 2,4 hingenommen werden muss),

Die Grenzen von FM-Rastern treten auf: bei stark saugenden Papieren im Bogenoffsetdruck und bei der Verwendung von Metallicfarben mit fluoreszierenden Farben und großen Pigmenten. Ab Januar 2004 will man in Bayreuth das „Staccato“ auch im Zeitungsdruck einsetzen (im Jahre 2002 hat man durch hochwertige Druckqualität die Mitgliedschaft im „International Newspaper Color Quality Club“ der Ifra und NAA gewonnen und will diese Spitzenstellung halten und weiter ausbauen), dann jedoch mit Druckpunktgrößen zwischen 30 und 40 µm. Von der gegenwärtigen Diskussion über „SquareSpot“ hält Ulrich Stetter nichts, denn dies führe an der eigentlichen Problematik vorbei.

CtP und die Thermo-Technologie bei den Druckplatten (begrenzender Schwellenwert bei der Punktbildung) hält er für eine Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einsatz der FM-Raster-Technologie. Natürlich müsse die eingesetzte Druckmaschine dublierfrei drucken und eine geringe und stabil bleibende Druckzunahme während des Betriebs aufweisen. Die Farbwalzen sollten exakt einstellbar sein und man muss sich bei FM auf leicht erhöhte Anforderungen an die Feuchtmittelführung einstellen. Schließlich sei auf standardisierte Bedingungen (Normalfärbung) Wert zu legen und die Kontrollen an den Druckplatten mit Messgeräten auf CCD-Basis durchzuführen.

Sehr offen sprach Ulrich Stetter über seine Erfahrungen mit der Lieferindustrie, die seinem Vorhaben, das „Staccato“ im Rollenoffsetdruck einzusetzen anfangs sehr ablehnend gegenüber stand. Das vorgebrachte Argument lautete: dies sei nur für den Bogenoffsetdruck entwickelt worden. Er empfiehlt seinen Kollegen, sich nicht von der Skepsis der Hersteller einschüchtern zu lassen und selbst Erfahrungen mit der Anpassung und Kalibrierung zu sammeln. Von Kundenseite sei ihm bei seinen Alleingängen die wenigsten Schwierigkeiten in den Weg gelegt worden. Es genügte diesen der schlagende Beweis von Druckmustern mit kritischen Sujets. 90% seiner Aufträge werden so auch ohne die Anfertigung eines Proofs von den Kunden akzeptiert. Das liege allerdings auch daran, dass viele Stammkunden ihr ICC-Profil bereits an die Agenturen gegeben haben und so die Aufträge wie Wiederholaufträge behandelt werden können. Auch wurde inzwischen allgemein mit dem Vorurteil aufgeräumt, FM verlange längere Rechenzeiten als AM.

Zusammenfassend stellte Ulrich Stetter noch einmal die Vorteile der FM-Raster-Technologie wie folgt heraus: Erheblich bessere Druckqualität, ruhigere Verläufe, angenehme Hauttöne, keine Probleme mit dem Punktschluss und Wiedergabe feinster Strukturen in den Sujets. Dazu noch: keine Rosettenbildung, kein Moiré, keine unruhige Flächen, kurzum Halbton-Qualität. Nicht zu vergessen: die größere Prozess-Sicherheit und die höhere Wirtschaftlichkeit.

Die weiteren Ziele im Druckhaus Bayreuth betreffen: die Verwendung von FM mit hoch-pigmentierten Druckfarben, weitere Arbeiten zur Messung und Steuerung (wobei gegenwärtig eine russische Diplomandin der TU Chemnitz hilft), der bereits erwähnte Einsatz von FM im Zeitungsdruck und der Ausbau des Colormanagements. Er sei überzeugt, dass sich FM in nächster Zukunft auf breiter Front durchsetzen werde, denn das Druckergebnis sei besser und die Voraussetzungen (exakte Druckmaschine, CtP und Druckplatten) schon jetzt gegeben, schloss Ulrich Setter seinen mit viel Beifall aufgenommenen Vortrag. FM bringe den Offsetdruck weiter – so wolle er nur am Rande erwähnen, dass man erst kürzlich bei der Cortina von KBA festgestellt habe, dass die Moirébildung durch die Rasterwalze beim Kurzfarbwerk mit FM zum Verschwinden gebracht werden konnte.

In der nachfolgenden Diskussion wurde noch klargestellt, dass man die FM-Rasterung nicht auf konventionelle Rasterweiten umrechnen kann. Was die „Würmchen-Struktur“ bei den Mitteltönen der FM-Raster der 2. Generation betrifft, so werden diese vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen, da sie eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen. Erst ab 40 µm Druckpunktgröße wird die Sichtbarkeitsgrenze erreicht, weshalb im Zeitungsdruck max. 35 µm-Punkte eingesetzt werden sollen. Der Heatset-Rollenoffsetdruck zeige bei FM den Vorteil, dass kein Wegsacken der Druckpunkte ins Papier auftrete – die Punkte durch die Hitze der Trocknung quasi fixiert werden. Man sollte sich bewusst sein, dass der Korridor bei der FM-Produktion etwas enger wird, weshalb standardisiertes Arbeiten in Richtung Industrie vorausgesetzt werden muss. Wer dies in seinem Betrieb nicht sicherstellen kann, sollte besser die Finger davon lassen. Auf Mehrkosten angesprochen, erwiderte Urich Stetter, dass diese nur marginal seien (Software, Feuchtung). Es resultieren also dadurch keine höheren Preise für die Kunden, doch hält man mit FM die besseren Karten in der Hand.

Wer mehr wissen will, der möge Herrn Ulrich Stetter unter u.stetter(at)druckhaus-bayreuth.de direkt ansprechen.

Boris Fuchs

Direktgravur – Ausblick in die Zukunft des Flexodrucks

Markus Mühlfeit, Projektleiter Flexodruckplatten-Direktgravur bei BASF Drucksysteme GmbH in Stuttgart-Feuerbach und Absolvent der HdM in Stuttgart, war der Vortragende bei diesem 5. IDD-VDD-Seminar im Winterhalbjahr 2003/2004. Er begann mit der Geschichte des Flexodrucks, die bekanntlich mit der Patenterteilung auf eine Gummidruckplatte an J.A. Kingsley 1853 in USA begann. 1890 bauten Baron and Sons in Liverpool, England, die erste Anilindruckmaschine – so nannte man damals den Flexodruck. Wegen der geringen Werbewirksamkeit der Namensverbindung mit „Anilin“ wechselte man später zu der Bezeichnung Flexodruck. (Der Begriff Anilindruck rührt wahrscheinlich von den bunten, in Alkohol gelösten Anilinfarbstoffen her, die man damit hauptsächlich verdruckte, während der Flexodruck die flexible Druckform als Pate benennen kann).

Entwicklungen der Neuzeit sind der Einsatz von Photopolymerplatten zur Qualitätsverbesserung 1970, die Einführung des CtP-Ablationsverfahrens 1995 (Zweistufen-Verfahren mit Laserbelichtung einer schwarzen Maske, durch die die eigentliche Belichtung zur Herstellung des Druckreliefs erfolgt) und schließlich die Direktlasergravur im Jahre 2000 zur Prozessvereinfachung. (Anm.: 1974 ließ der Zeitungskonzern Gannett in USA zwei Lasergraviermaschinen für Buchdruckformen von der Laser Graph Systems Corp. anfertigen, die sich jedoch wegen des hohen Energieverbrauchs nicht durchsetzen konnten. Weitere Anwendungsfälle der Lasergravur in unserer Branche sind aus dem Tiefdruck bekannt).

Waren bei den Photopolymer- und CtP-Ablationsverfahren mehrere Prozessschritte (Vorbelichtung, Belichtung, Auswaschen, Trocknen und Nachbehandlung) zwischen Prepress und Druck erforderlich, so kann die Direktgravur diese Zwischenschritte umgehen. Die Durch-laufzeit verkürzt sich so auf 1,5 Std./ m² gegenüber mindestens das Doppelte bei ersteren. Außerdem biete die Kontrollierbarkeit der Prozesskette mehr Produktionssicherheit und damit eine reproduzierbare Qualität. Bei den Lasern handelt es sich um Hochleistungs-CO2-Laser mit Leistungsstärken von 500-1000 W. Bei BASF hat man sich für ein Dreistrahl-System entschieden, wobei sich die 3 hintereinander angeordneten Laserstrahlen die Arbeit differenziert in Höhen- und Tiefengravur teilen. Das verdampfte Plattenmaterial (materialgefüllte Plasmawolke) muss während des Graviervorgangs abgesaugt werden.

Faktoren, die den Gravurprozess beeinflussen sind: die Prozessparameter (Vorschub, Absaugung, Strahldurchmesser), der Laser und seine Optik (Wellenlänge, Ausgangsleistung, Strahlqualität) und die Materialeigenschaften der Druckplatten (optische Eigenschaften, thermophysikalische Eigenschaften). Der Vorteil der Direktgravur mit der Mehrstrahltechnik liegt in der stufenlos kontrollierbaren Punktform, der modulierten Laserleistung, der drei-dimensionalen Wirksamkeit und dem gezielten „Tieferlegen“ der Punkte. Der gravierte Punkt trägt an der Oberfläche eine Kappe mit steilen Flanken, während der darunter liegende Sockel flacher bis steiler geformt werden kann. Durch die Kappenstruktur der Oberfläche verändere sich die Punktfläche und damit das Druckergebnis bei Abnutzung der Form nicht.

An Hochleistungslasern stehen der Excimer-Laser (exited dimer) bei 308 nm., der Nd:YAG-Laser bei 1064 nm und der CO2-Laser bei 10,64 μm Wellenlänge zur Verfügung. Der CO2-Laser habe gegenüber dem Nd:YAG-Laser den Vorteil, dass er bei der Punktgravur auf keine Überlappung angewiesen sei und dadurch mehrere Abstufungen durch Variation des Laserstrahldurchmessers erlaube. Bei Vollflächen werde eine regelmäßige Struktur in die Oberfläche der Form gebrannt, damit sie so eine konstantere Farbübertragung ermöglicht. Dieser verbesserte Kontrast mache sich besonders beim Druck von EAN-Strich-Codes auf Lebensmittelverpackungen positv bemerkbar.

Die BASF Graphische Systeme bietet vier verschiedene Druckplattentypen für die Laserdirektgravur an: hart, mittelhart, weich und für UV-Farben geeignete. Die mittelharte LD-Platte weist eine Härte von 57° Shore A auf und ist nur in einer Stärke von 1,14 mm lieferbar. Sie ist besonders für Etiketten, Faltschachteln etc. geeignet. Die weiche LD1-Platte kommt auf 40° Shore A und wird in den Stärken 1,14, 1,70, 2,54 und 2,84 mm geliefert. (Die verschiedenen Stärken ergeben sich durch die unterschiedlichen Unterschnitte bei den dazu eingesetzten Druckmaschinen). Sie ist hauptsächlich für saugfähige Bedruckstoffe, wie Wellpappen Preprints und Briefumschläge gedacht. Schließlich gibt es noch die harte LD2-Platte von 62° Shore A, die vornehmlich bei flexiblen Verpackungen eingesetzt wird.

Mittels REM-Aufnahmen demonstrierte Herr Mühlfeit die unterschiedliche Flankensauberkeit bei konventionellen Kautschuk-, bei Silikonkautschuk- und Polymer LD-Platten, wobei sich klar die Überlegenheit von letzterer zeigte. Ein Zwischenrufer wies jedoch darauf hin, dass die Qualitätsbreite bei den verschiedenen Kautschuksorten enorm sei, was Homogenität, Abriebfestigkeit und chemische Beständigkeit anbelange, weshalb der Vergleich ohne Angabe der Qualitätssorte nicht aussagekräftig sei. Dies wurde von Herrn Mühlfeit akzeptiert.

Die Firma BASF Drucksysteme GmbH vertreibt neben Druckplatten und Druckfarben auch Lasergraviermaschinen, die man von einem Partner im österreichischen Kufstein fertigen lässt und unter der Bezeichnung „BASF Direct Engraver BDE 4131“ auf dem Markt anbietet. Eine Besonderheit bei dieser Maschine besteht darin, dass beim Gravieren nicht der Laser, bzw. sein Spiegel, sondern der den Abtast- und Gravierzylinder tragende Schlitten auf dem Maschinenbett bewegt wird. Das stelle den stets gleichen Abstand zwischen dem Laser und dem Graviergut sicher. Die Laserkanone liegt parallel zu den beiden Zylindern und sendet ihre drei Strahlen über Spiegel um 90° abgelenkt auf die drei, je um 4,5 mm versetzten Linsen des Laserkopfes, um so senkrecht auf das auf dem Gravierzylinder aufgespannte Graviergut zu treffen. Die Druckform-Aufnahme kann dabei eine magnetische sein, doch lassen sich auch Luftzylinder und Sleeves mit konischen Spreizdornen einsetzen.

Die Abmessungen der Laser- Graviermaschine BDE 4131 betragen 4500 x 1300 x 1600 mm. Die Laserleistung beträgt zwischen 150 und 250 W in Multibeam-Technology bei einer Spotgröße von 25 μm. Die Drehzahl wird mit 250 bis max. 1800 Umdr./min angegeben und der Vorschub ist auflösungsabhängig (1270-2032 dpi) zu wählen. Als Datenformat wird TIFF bevorzugt, doch können auch eine Reihe von anderen Formaten verarbeitet werden. Gängige Rasterweiten sind 42 und 48 L/cm – auch 60 L/cm können erreicht werden. Seit der drupa2000 wurden bereits 400 Maschinen weltweit abgesetzt. Es ist im Markt eine Tendenz zu Firmenzusammenschlüssen zu beobachten (um Markenartikler mit konstanter Druckqualität europaweit bedienen zu können), weshalb eine Auslastung der Maschinen im 2- und 3-Schichten-Betrieb, wie sie für die Amortisation der Anlage notwendig ist, keine Schwierigkeiten bereiten sollte.

Wie wichtig das Gravur-Know-how auch bei einem automatisierten System wie der Laser-Direktgravur ist, bewies Herr Mühlfeit mit den REM-Aufnahmen eines Passerkreuzes auf zwei Flexoplatten. Während Laser A ein stark ausgebildetes Relief zeigte, war dieses bei Laser B nur schwach vorhanden. Über die Gründe entwickelte sich eine lebhafte Diskussion: War es die mangelhafte Einstellung bei der Software (Flanken- und Punktform-Definition) oder der Mangel an geeigneten Proof-Verfahren?

Die Nachreinigung der gravierten Druckform geschieht mit Rundbürsten ca. 60 Sek. lang in einer speziellen Vorrichtung – evtl. auch unter Anwendung des Reinigungsmittels „Print-clean“. Bei der Abluftreinigung und Filterung des ablatierten Materials, der Polymerpartikel und der niedrig-molekularen Fragmente biete sich die Filterung mittels Aktivkohle an. Wenn eine thermische Nachverbrennung vorhanden sei, könne auch diese dazu verwendet werden. Zum Schluss wies Herr Mühlfeit noch auf die Vorteile der Lasergravur bei Nahtlos / Endlos-Formen hin, wie sie im Verpackungsdruck gebraucht werden. Mit „cutting – mounting – merging – reinforcing – engraving“ arbeite man daran intensiv bei BASF Drucksysteme in Stuttgart-Feuerbach.

Bei der anschließenden Diskussionsmöglichkeit unter der Moderation von Prof. Dr.-Ing. Edgar Dörsam, von der schon während des Vortrags reger Gebrauch gemacht wurde, ging Herr Mühlfeit auf die Zukunftschancen des Flexodrucks etwas näher ein. Er sei überzeugt, dass die Direktgravur besonders im Sektor flexibler Verpackungen ihre Marktstellung noch ausbauen werde. Es seien leistungsfähigere Laser und größere Datenraten bei der Übertragung denkbar, was zu höheren Graviergeschwindigkeiten führen werde. Auch könne sich die Anzahl von Laserstrahlen noch bis auf 8 erweitern lassen. Ein Autofokus-System sei schon heute anwendbar.

Auf den Erfahrungsaustausch mit der Praxis des Flexodruckverfahren im Zeitungsdruck angesprochen, insbesondere, was die geringere Stärke der Druckplatten anbelangt, wurde Herrn Mühlfeit die Information herausgelockt, dass BASF Drucksysteme dazu bei der drupa2004 in Düsseldorf mit einer Neuigkeit aufwarten werde. Selbstverständlich handle es sich dabei um ein ganz anderes System, als das im Verpackungsdruck angewandte. Schließlich verbiete sich dieses schon durch den Zeitfaktor. Doch sei es schwierig die verschieden Anforderungen, wie sie in Italien, in England und in den USA – den Ländern, die seither schon das Flexodruckverfahren bei Zeitungen einsetzen – unter einen Hut zu bringen. Das Auditorium dankte dem Referenten mit einem lang anhaltenden Applaus.

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

Effektpigmente für die Druckindustrie

Ein Bericht vom zweiten VDD-Seminar in 2003 im Haus für Industriekultur Darmstadt

Den Reigen der insgesamt sieben VDD-Seminare im Winterhalbjahr 2003/04 eröffnete der Altmeister des innovativen Druckmaschinenbaus, der Senior-Chef des Konzerns KBA, Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Hans-Bernhard Bolza-Schünemann, der über die Schnellpressenära von 1812 bis 1980 sprach und dabei besonders die vielgestaltigen Satzbettantriebe hervorhob. Man hätte sich gewünscht, dass mehr Studenten seinen so mitreißend vorgetragenen Ausführungen gefolgt wären, um sich von der Faszination des Konstrukteurberufs fesseln zu lassen. So war der Vortragssaal im Haus für Industriekultur in Darmstadt im Wesentlichen von bereits Druckmaschinenbegeisterten und historisch Interessierten gefüllt. Der Veranstaltungsort hatte den Vorteil, dass das Gehörte gleich vor Ort, an den dort ausgestellten Schnellpressen nachgeforscht werden konnte.

Dr. Bolza-Schünemann, von seinen Mitarbeitern liebevoll HBS genannt, machte den Wandel an acht verschiedenen Schnellpressentypen klar. Da war zunächst die Ur-Schnellpresse des Friedrich Koenig aus dem Jahre 1812, die erstmals die bei der Gutenbergpresse und ihren eisernen Nachfolgetypen noch statischen Arbeitsschritte des Einfärbens der Form und des Ausübens des Drucks in eine fließende Fertigungskette integrierte. Der Satzbettantrieb mittels Rechenantrieb, wie er in Wäschemangeln gebräuchlich war, der Reibrad-Variator für die Zustellbewegung der Farbbüchse, das Hornradgetriebe, die Hookeschen Gelenke – das alles wurde mit Videounterstützung plastisch den Seminarteilnehmern vor Augen geführt.

Auf diese erste Schnellpresse von Koenig & Bauer folgte1836 eine Schnellpresse mit Rollrad-Antrieb von Helbig & Müller in Wien, wobei eine Kurbel an die Stelle des Rechen-Antriebs trat und wobei die sich auf einer festen Zahnstange abstützenden Rollräder unter dem Karren den Kurbeldurchmesser entsprechend der 1:2-Übersetzung verkleinerten. Ein Fanggabel-Mechanismus besorgte den Stillstand des Druckzylinders während der Bogenanlage, während den Bogentransport erstmals Greifer besorgten. Darauf hin entwickelte Andreas Bauer nach Friedrich Koenigs allzu frühen Tod die so genannte Eisenbahnbewegung, und 1840 zudem einen ganz neuen Typ von Antrieb, die auf einem Planetengetriebe basierende Kreisbewegungsmaschine. Ein Planetenrad, an das der Karren direkt und fest angeschlossen war, wälzte sich dabei in einem großen, still stehenden, innen verzahnten Radkranz ab. Die Dresdner Schnellpressenfabrik, aus der die Planeta hervor ging, griff 1902 dieses System auf und verkleinerte das Planetengetriebe durch Nachschaltung einer Art Eisenbahnbewegung.

Das Zweitouren-Prinzip erklärte Dr. Bolza-Schünemann an einer Miehle-Schnellpresse. Wie der Name schon sagt, führte bei ihr der Druckzylinder zwei Umdrehungen pro Druckgang durch. Charakteristisch war bei ihr auch, dass die Auslage der bedruckten Bogen auf der gegenüber liegenden Seite zur Anlage erfolgte, was man Frontbogenausgang nannte. Dadurch baute sie sehr lang, denn der Ausleger musste das gesamte Formbett überspannen. Der Formbettantrieb ähnelte dem Mangel-Rechenantrieb, jedoch bewegte sich bei dieser nicht auf- und, sondern seitlich bei Führung in den Totpunkten über Kulissen. Wegen der großen bewegten Massen mussten zusätzlich zur Kulissenführung Luftpuffer eingebaut werden. Man erreichte so 2 200 – 2 300 Bogen/h.

Eine Besonderheit brachte 1935 die Schnellpressenfabrik Heidelberg mit ihrer Eintouren-Schnellpresse OHZ heraus. Das Eintourenprinzip war zwar schon aus USA bekannt, wo nicht weniger als 21 Hersteller, u.a. Walter Scott, diesen Maschinentyp fertigten, doch die Heidelberger und ein Schweizer Patentgeber führten dazu den beschleunigten Karrenrücklauf mit einer Doppel-Kurbel und einer gelenkten Zahnstange ein. Natürlich war der nur einmal pro Druckgang drehende Druckzylinder doppelt so groß als bei den üblichen Schnellpressen ausgeführt, denn für den Druck stand nur ein schmales Segment auf seinem Umfang zur Verfügung. Es wurden damit 3 500 Bogen/h erreicht.

Eine neuartige Zweitourenmaschine brachte die US-amerikanische Firma Miller 1942 heraus, indem sie eine V-förmige Kulisse unter dem Karren anbrachte, in die in den jeweiligen Endpunkten das Antriebsrad einschwenkte und zwei verschiedene Zahnstangen zum Einsatz kamen. Die Produktionsgeschwindigkeit stieg damit auf 3 500 – 4 000 Bogen/h. Noch kompakter baute der kleinformatige Poly-Automat der MAN aus dem Jahre 1950, der trotz seiner fast nur Tischgröße eine echte Zweitourenmaschine war. Erreicht wurde dies durch ein schaukelförmiges Gebilde unter dem Antriebsrad, das an seinen beiden Enden je einen Schlitz in der Form einer Epizykloide trug und so die Umkehrbewegung des Karrens steuerte,

Die große Agonie des Schnellpressenbaus wurde 1958 mit der Zweitourenmaschine Condor von Koenig & Bauer eingeläutet. Sie bestach nicht nur durch ihr ansprechendes Design, sondern steckte auch voller Innovationen. Da war zunächst die Antriebssteuerung über ein Malteserkreuzgetriebe, bei dem Einsatzstücke Formschlüssigkeit gewährleisteten. Der im Fundament versenkte Antrieb bestand aus zwei Zweitourenwellen und war zur Massenreduzierung aus Leichtmetallguss hergestellt. Ein stark beschleunigter Karrenrücklauf brachte die Produktionsleistung auf 4 600 Bogen/h und eine Stopp- und Umkehrtrommel nach der Bogenanlage, ließ die An- und Ablage auf der gleichen Seite zu, wodurch eine kompakte Bauweise zustande kam, zumal das Farbwerk nach oben abfahrbar war, um die Zugänglichkeit zur Druckform zu gewährleisten.

Um das Jahr 1980 kam jedoch ganz plötzlich das Aus für die im Buchdruck arbeitenden Schnellpressen. Die Bogenrotationsmaschinen mit geätzten und photopolymeren Wickelplatten versuchten zwar den Buchdruck noch zu retten, doch der aufkommende Offsetdruck mit seinen wesentlich preiswerteren, planen Druckplatten und der Möglichkeit, den Vierfarbendruck ohne Zurichtung durchführen zu können, obsiegte am Ende auf der ganzen Linie. Dr. Bolza-Schünemann sagte zu Abschluss, Koenig & Bauer haben selbst dazu beigetragen, das Grab für die Buchdruck-Schnellpressen zu schaufeln, indem sie auf der TPG-Messe 1974 in Paris eine Bogenoffsetmaschine mit einer Produktionsgeschwindigkeit von 15 000 Bogen/h auf den Markt brachten, was einer Verdreizehnfachung der Leistung gegenüber der ersten Schnellpresse entsprach.

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

Faszination Schnellpressenantriebe

Ein Bericht vom zweiten VDD-Seminar in 2003 im Haus für Industriekultur Darmstadt

Den Reigen der insgesamt sieben VDD-Seminare im Winterhalbjahr 2003/04 eröffnete der Altmeister des innovativen Druckmaschinenbaus, der Senior-Chef des Konzerns KBA, Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Hans-Bernhard Bolza-Schünemann, der über die Schnellpressenära von 1812 bis 1980 sprach und dabei besonders die vielgestaltigen Satzbettantriebe hervorhob. Man hätte sich gewünscht, dass mehr Studenten seinen so mitreißend vorgetragenen Ausführungen gefolgt wären, um sich von der Faszination des Konstrukteurberufs fesseln zu lassen. So war der Vortragssaal im Haus für Industriekultur in Darmstadt im Wesentlichen von bereits Druckmaschinenbegeisterten und historisch Interessierten gefüllt. Der Veranstaltungsort hatte den Vorteil, dass das Gehörte gleich vor Ort, an den dort ausgestellten Schnellpressen nachgeforscht werden konnte.

Dr. Bolza-Schünemann, von seinen Mitarbeitern liebevoll HBS genannt, machte den Wandel an acht verschiedenen Schnellpressentypen klar. Da war zunächst die Ur-Schnellpresse des Friedrich Koenig aus dem Jahre 1812, die erstmals die bei der Gutenbergpresse und ihren eisernen Nachfolgetypen noch statischen Arbeitsschritte des Einfärbens der Form und des Ausübens des Drucks in eine fließende Fertigungskette integrierte. Der Satzbettantrieb mittels Rechenantrieb, wie er in Wäschemangeln gebräuchlich war, der Reibrad-Variator für die Zustellbewegung der Farbbüchse, das Hornradgetriebe, die Hookeschen Gelenke – das alles wurde mit Videounterstützung plastisch den Seminarteilnehmern vor Augen geführt.

Auf diese erste Schnellpresse von Koenig & Bauer folgte1836 eine Schnellpresse mit Rollrad-Antrieb von Helbig & Müller in Wien, wobei eine Kurbel an die Stelle des Rechen-Antriebs trat und wobei die sich auf einer festen Zahnstange abstützenden Rollräder unter dem Karren den Kurbeldurchmesser entsprechend der 1:2-Übersetzung verkleinerten. Ein Fanggabel-Mechanismus besorgte den Stillstand des Druckzylinders während der Bogenanlage, während den Bogentransport erstmals Greifer besorgten. Darauf hin entwickelte Andreas Bauer nach Friedrich Koenigs allzu frühen Tod die so genannte Eisenbahnbewegung, und 1840 zudem einen ganz neuen Typ von Antrieb, die auf einem Planetengetriebe basierende Kreisbewegungsmaschine. Ein Planetenrad, an das der Karren direkt und fest angeschlossen war, wälzte sich dabei in einem großen, still stehenden, innen verzahnten Radkranz ab. Die Dresdner Schnellpressenfabrik, aus der die Planeta hervor ging, griff 1902 dieses System auf und verkleinerte das Planetengetriebe durch Nachschaltung einer Art Eisenbahnbewegung.

Das Zweitouren-Prinzip erklärte Dr. Bolza-Schünemann an einer Miehle-Schnellpresse. Wie der Name schon sagt, führte bei ihr der Druckzylinder zwei Umdrehungen pro Druckgang durch. Charakteristisch war bei ihr auch, dass die Auslage der bedruckten Bogen auf der gegenüber liegenden Seite zur Anlage erfolgte, was man Frontbogenausgang nannte. Dadurch baute sie sehr lang, denn der Ausleger musste das gesamte Formbett überspannen. Der Formbettantrieb ähnelte dem Mangel-Rechenantrieb, jedoch bewegte sich bei dieser nicht auf- und, sondern seitlich bei Führung in den Totpunkten über Kulissen. Wegen der großen bewegten Massen mussten zusätzlich zur Kulissenführung Luftpuffer eingebaut werden. Man erreichte so 2 200 – 2 300 Bogen/h.

Eine Besonderheit brachte 1935 die Schnellpressenfabrik Heidelberg mit ihrer Eintouren-Schnellpresse OHZ heraus. Das Eintourenprinzip war zwar schon aus USA bekannt, wo nicht weniger als 21 Hersteller, u.a. Walter Scott, diesen Maschinentyp fertigten, doch die Heidelberger und ein Schweizer Patentgeber führten dazu den beschleunigten Karrenrücklauf mit einer Doppel-Kurbel und einer gelenkten Zahnstange ein. Natürlich war der nur einmal pro Druckgang drehende Druckzylinder doppelt so groß als bei den üblichen Schnellpressen ausgeführt, denn für den Druck stand nur ein schmales Segment auf seinem Umfang zur Verfügung. Es wurden damit 3 500 Bogen/h erreicht.

Eine neuartige Zweitourenmaschine brachte die US-amerikanische Firma Miller 1942 heraus, indem sie eine V-förmige Kulisse unter dem Karren anbrachte, in die in den jeweiligen Endpunkten das Antriebsrad einschwenkte und zwei verschiedene Zahnstangen zum Einsatz kamen. Die Produktionsgeschwindigkeit stieg damit auf 3 500 – 4 000 Bogen/h. Noch kompakter baute der kleinformatige Poly-Automat der MAN aus dem Jahre 1950, der trotz seiner fast nur Tischgröße eine echte Zweitourenmaschine war. Erreicht wurde dies durch ein schaukelförmiges Gebilde unter dem Antriebsrad, das an seinen beiden Enden je einen Schlitz in der Form einer Epizykloide trug und so die Umkehrbewegung des Karrens steuerte,

Die große Agonie des Schnellpressenbaus wurde 1958 mit der Zweitourenmaschine Condor von Koenig & Bauer eingeläutet. Sie bestach nicht nur durch ihr ansprechendes Design, sondern steckte auch voller Innovationen. Da war zunächst die Antriebssteuerung über ein Malteserkreuzgetriebe, bei dem Einsatzstücke Formschlüssigkeit gewährleisteten. Der im Fundament versenkte Antrieb bestand aus zwei Zweitourenwellen und war zur Massenreduzierung aus Leichtmetallguss hergestellt. Ein stark beschleunigter Karrenrücklauf brachte die Produktionsleistung auf 4 600 Bogen/h und eine Stopp- und Umkehrtrommel nach der Bogenanlage, ließ die An- und Ablage auf der gleichen Seite zu, wodurch eine kompakte Bauweise zustande kam, zumal das Farbwerk nach oben abfahrbar war, um die Zugänglichkeit zur Druckform zu gewährleisten.

Um das Jahr 1980 kam jedoch ganz plötzlich das Aus für die im Buchdruck arbeitenden Schnellpressen. Die Bogenrotationsmaschinen mit geätzten und photopolymeren Wickelplatten versuchten zwar den Buchdruck noch zu retten, doch der aufkommende Offsetdruck mit seinen wesentlich preiswerteren, planen Druckplatten und der Möglichkeit, den Vierfarbendruck ohne Zurichtung durchführen zu können, obsiegte am Ende auf der ganzen Linie. Dr. Bolza-Schünemann sagte zu Abschluss, Koenig & Bauer haben selbst dazu beigetragen, das Grab für die Buchdruck-Schnellpressen zu schaufeln, indem sie auf der TPG-Messe 1974 in Paris eine Bogenoffsetmaschine mit einer Produktionsgeschwindigkeit von 15 000 Bogen/h auf den Markt brachten, was einer Verdreizehnfachung der Leistung gegenüber der ersten Schnellpresse entsprach.

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

Das Maschinenelement Gummituch

Ein Bericht vom ersten VDD-Seminar in 2003 im Haus für Industriekultur Darmstadt

Es lebt noch, das jahrzehntelange Sorgenkind Haus für Industriekultur in Darmstadt, auch wenn es sich wie weiland Oskar Matzerath im Roman „Die Blechtrommel“ von Günter Grass nicht mehr weiter gewachsen ist. Die 38 Teilnehmer des VDD-Seminars am 12. Juni 2003 hatten die Gelegenheit, das Haus vor dem Vortrag zu inspizieren und waren beeindruckt von der Fülle an Exponaten, den 13 betriebsfähigen Linotype-Bleisetzmaschinen vom Modell 4a bis zur Universa, den 10 Schnellpressen von der Marinoni-Stoppzylindermaschine von 1850 über die Kreisbewegungsmaschine von Koenig & Bauer aus dem Jahre 1875 bis zum Heidelberger OHZ, den 13 eisernen Hand- und Tiegelpressen, sowie der einfachbreiten MAN-Rotation aus dem Jahre 1935. Im 3. Stock des historischen Gebäudes an der Kirschenallee betreibt weiterhin der Darmstädter Künstler Günter Staschik sein Kupferstich-Kabinett neben den sechs Lithographie-Reiberpressen und in einem durch eine Glaswand abgetrennten Bereich fertigt Rainer Gerstenberg wie eh und je seine Bleisatzschriften auf einer Vielzahl von fest installierten Einrichtungen, die von der D. Stempel AG nach deren Auflösung übernommen wurden. Wer vorwitzig genug war, konnte im 2. Stock hinter den Trennwänden der Kinderdruckerei eine Vielzahl von restaurierungsbedürftigen Maschinen und Geräten entdecken, die still vor sich hin rosten und nur der Kenner weiß, dass ein wahrer Schatz im Kellergeschoss liegt: 700 bebilderte Lithosteine und mehrere Tonnen von verpacktem Schriftmaterial lagern hier in 150 m langen Regalen. Wäre das Haus eine Arche Noah, sie könnte dank dieses enormen Kielballastes niemals kentern.

Eigentümerin des Hauses wurde nach dem Zusammenbruch der Vereinsträgerschaft das Hessische Landesmuseum, das die Aktivitäten auf Sparflamme weiter betreibt. Die Einzigartigkeit dieses, neben den Leipziger Werkstätten und Museum für Druckkunst wohl größten deutschen Druckmuseums hätte eine stärkere staatliche Unterstützung verdient, um weiter bestehen und wachsen zu können – mindestens zwei Stockwerke stehen noch leer.

Immer wieder ist die Rede davon, dass die druckrelevanten Fachbereiche der Technischen Universität Darmstadt in das Museum integriert werden sollten, indem zumindest deren Werkstätten in das Haus für Industriekultur einziehen und so das Haus mit echtem Leben erfüllen. Ein Anzeichen dafür könnte sein, dass das von Prof. Dr.-Ing. Edgar Dörsam moderierte, erste VDD-Seminar dieses Jahres an diesem Ort stattfand. Der Referent dieser Abendveranstaltung, Dipl.-Ing. Joachim Herrmann von der Entwicklungsgruppe Drucktücher der ContiTech Elastomer-Beschichtungen GmbH in Northeim, Tochtergesellschaft der Continental AG in Hannover, baute denn auch sein Referat gegenüber früher gehörten Vorträgen zum gleichen Thema „Drucktücher für den Offsetdruck“ mehr nach einer wissenschaftlichen Zielrichtung auf.

Aus der Fülle von Anforderungen, die ein Gummituch zu erfüllen hat, wie Langlebigkeit, Quellbeständigkeit, Ausdruckverhalten, Registereigenschaft, Tonwertzunahme, Maßhaltigkeit, Aufbauen, Förderverhalten, Rückstellfähigkeit, Wärmeentwicklung, Reproduzierbarkeit, Einfallen, Dehnung und Spaltenbildung wählte er die drei Eigenschaften Kompressibilität, Förderverhalten und Benetzungsfähigkeit für eine eingehendere Behandlung in seinem Vortrag aus. Die Kompressibilität betreffend verwies er darauf, dass die bloße Shorehärte-Messung hier nicht weiter hilft. Es braucht dazu einen Quasi-statischen Prüfstand zur Messung der Federkennlinie. Ziel ist dabei, nach wenigen wechselnden Belastungen eine Konstanz zu erreichen und die Kompressibilität des Gummituchs so hoch wie möglich zu treiben – bis zu der Grenze, bei der der Ausdruck nachlässt. Mit eingeschlossenen Gummibläschen macht man sich dabei den Tennisball-Effekt zu Nutzen.

Für das Förderverhalten, das sowohl bei Achtertürmen als auch bei Satelliten-Druckeinheiten Papierspannungs-Lose zwischen den Druckstellen vermeiden hilft, wählt man bestimmte Gummikombinationen in der „Neutral Paper Feed Technology“ aus, der man das Markenzeichen „ContiTech Evolution / Synchro“ gegeben hat. Bei der Entwicklung der Gummimischung konnte man sich auf analytisch-geometrische Untersuchungen über den effektiven Rolldurchmesser der Koenig & Bauer AG (KBA) in Würzburg stützen. In der Gegenüberstellung von ideal kompressibel und ideal inkompressibel ergibt sich dabei ein gutes Hilfsmittel für den Drucker bei Spannungsproblemen. KBA entwickelte dazu einen speziellen Prüfstand. Auf ihm wird neben dem Förderverhalten auch die Verlustarbeit und die dynamische Druckkraft gemessen – und dies sowohl für die üblichen textilbewehrten Gummitücher, als auch für die neuen metallbewehrten Gummitücher für geringere Kanalbreite sowie leichtere Wechselbarkeit und die kanalfreien Drucktuchhülsen, „Sleeves“ genannt. Ein weiterer Weg sei zwar auch mit der FEM-Simulation gangbar, doch liefere diese keine so verlässlichen Ergebnisse.

Bei der Benetzungsfähigkeit war das Paradoxon zu lösen, die Gummituchoberfläche gleichzeitig hydrophil und oleophil zu machen. Auch hier ist das Mittel zum Erreichen dieses Ziels, die richtige Gummi-Rezeptur zu finden. Polarität, Oberflächenstruktur, Quellungscharakteristik, Adhäsionsneigung und der pH-Wert sind dabei die wichtigsten Einflussgrößen, um einen nahezu alkoholfreien Offsetdruck durchführen zu können. Das Testverfahren bezieht sich mit dem Curling-Test auf den QR-Effekt (Quick Release), indem die Lockenhöhe von zehn aufeinander folgenden Bogen gemessen wird (je höher die Abziehkraft vom Gummituch, je höher die Lockenhöhe am Ende des Bogens).

Dem Referenten wurde mit einem lang anhaltenden Applaus vom Auditorium gedankt, in dem sich viele Praktiker und auch mehrere Damen – eine Seltenheit bei VDD-Veranstaltungen – befanden. Einige Unentwegte trafen sich danach noch zu einem Umtrunk in einem Darmstädter Lokal, um den Abend in einer kameradschaftlich lockeren Atmosphäre mit dem neuen und jungen Professor ausklingen zu lassen.

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

90 Jahre Rollenoffset

Bericht über ein IDD-VDD-Seminar

Am 25. Juni 1912 druckte die erste Rollenoffsetdruckmaschine der Welt, genannt „Universal“, beim Druckwalzenhersteller Felix Böttcher in Leipzig, auf die der Offset-Pionier Caspar Hermann schon am 26. November 1907 ein deutsches Patent erhalten hatte und die der Böttcher-Inhaber Ernst Herrmann auf eigene Rechnung bei der Vogtländischen Maschinenfabrik AG (VOMAG) in Plauen bauen ließ. Gleichzeitig wurde damit das Gummi-gegen-Gummi-Prinzip erfunden, das den Schön- und Widerdruck simultan und ohne Einfügung zusätzlicher Druckzylinder bewekstelligen konnte.

Dies und die weiteren Entwicklungsschritte zum heute allgemein eingesetzten Offsetdruckverfahren waren das Thema des ersten VDD-Seminars dieses Jahres am IDD der TU Darmstadt, zu dem der VDD-Vorstand als Referenten Herrn Joe Nünlist aus der Schweiz gewinnen konnte. Nünlist hat seine Erfahrungen auf diesem Gebiet, die er in den verschiedenen Firmen (7 Jahre GOSS in USA, 7 Jahre MAN in Augsburg, 3 Jahre Albert-Frankenthal und 13 Jahre Heidelberg) sammeln konnte, jüngst in einem Buch mit dem Titel: „Historie des Rollenoffset-Verfahrens“ (über den Keppler Verlag in Heusenstamm erhältlich) veröffentlicht. Eine besondere Note erhielt das Seminar auch dadurch, dass sich die Enkelin von Caspar Hermann, Frau Helen Schmits, unter den Seminarteilnehmern befand, die ihrerseits im Eigenverlag gerade ein Buch über ihren Großvater mit dem Titel:“ Caspar Hermann – ein Leben für den Offsetdruck“ herausgebracht hat.

Joe Nünlist unterteilte seinen Vortrag in die drei Entwicklungsepochen des Rollenoffsetdrucks: die Gründerzeit (1912-1940), die Renaissance (1940-1980) und die Neuzeit (1980-heute). Besonders interessant war dabei, was er über die Anfänge des Illustrations-Rollenoffsetdrucks in USA zu sagen hatte. Dort baute schon in den 1940er Jahren der aus Deutschland stammende Konstrukteur John F. Webendorfer bei der Schriftgießerei American Type Founders (ATF) in Elisabeth, New Jersey, die erste Rollenoffsetmaschine mit stehenden Doppeldruckwerken, indem er die Zylinderanordnung des Caspar Hermann um 90° in die Vertikale drehte. Wichtig war dabei die S-Umschlingung der Papierbahn an den Gummituchzylindern, um Bahnspannungsschwankungen zu vermeiden – ein Patent, um das viel gestritten wurde und erst 1971 auslief.

Webendorfer kümmerte sich nicht nur um die Gestaltung der Druckwerke, sondern auch um die peripheren Einrichtungen der Rollenoffsetmaschine, wie Einzugswerk, Trockner und Kühlwalzen. Für die mit Gasbrennern bestückten Trockner im Heatset-Druck wurde Ben Offen in Chicago sein Partner. Später gesellte sich Otepka hinzu. Ende der 1940er Jahre wurden die ersten so ausgerüsteten ATF-Rollenoffsetmaschinen in USA ausgeliefert. Als zu Beginn der 1960er Jahre in Europa das Interesse am Rollenoffsetdruck erneut erwachte, druckten in USA bereits 288 Maschinen in 133 Druckereien. Neben ATF waren dies Maschinen auch von Hantscho und Fairchild.

Die Drupa 1962 setzte den Markstein für die Renaissance des Rollenoffsetdrucks in Europa, indem die traditionellen Hersteller MAN, Albert-Frankenthal, Faber & Schleicher / Roland, Frühwald & Jäger, GMA und Wifag mit neuen Maschinen herauskamen. Konzentrierte sich bis dahin das Rollenoffsetdruckverfahren hauptsächlich auf den höher-qualitativen Illustrationsdruck, so kamen mit Ende der 1960er und Beginn der 1970er Jahre auch spezielle Zeitungsoffsetdruckmaschinen hinzu, die zunehmend den bis dahin praktizierten Buchdruck ablösten. Zwischenlösungen wie indirekter Buchdruck, Di-Litho und Flexodruck konnten den Trend zum Offsetdruck nicht aufhalten.

Joe Nünlist schloß sein hoch-informatives Referat mit dem Nachwort aus seinem Buch: „Seit der Gründung des Rollenoffsetdrucks 1912 sind Bahngeschwindigkeiten sowie Druckqualität ständig angestiegen, und es könnte der Eindruck entstehen, dass keine Grenzen gesetzt sind. Dem ist jedoch nicht so, denn Grenzen werden immer bestehen. Getreu dem ökonomischen Grundgesetz, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen unbegrenzt sind, so wird auch der Rollenoffset an Grenzen stossen.“ Und er fügte hinzu, dass das Substitut sich vielleicht schon mit dem Digitaldruck am Horizont abzeichnet. Er wolle mit seinem Buch und so auch mit diesem Referat zum Nachdenken anregen, getreu dem Leitspruch: „Nur wer die Geschichte kennt, kann in die Zukunft blicken!

Dipl.-Ing. Boris Fuchs

Was so alles passiert, wenn höhere Konstruktionslehre auf Druckmaschintechnik trifft

Der Autor hat zunächst als Assistent am Lehrstuhl für Produktentwicklung, TU München gearbeitet.
Er konnte innerhalb von MAN Roland dieses Wissen als Leiter eines grossen Entwicklungsprojektes anwenden. In diesem Spannungsfeld konnte er sich überzeugen, dass bei der Druckmaschinenentwicklung ein hohes Mass an Flexibilität in der Anwendung der theoretischen Grundlagen notwendig ist. Insbesondere Themen wie Aufgabenklärung, Lösungsvarianten in der Konzeptphase, Detailierungsgrad der Planung und entwicklungsbegleitende Entscheidungsfindung werden diskutiert.

Dr.-Ing. Anthimos Giapoulis

Giapoulis