90 Jahre Rollenoffset

Bericht über ein IDD-VDD-Seminar

Am 25. Juni 1912 druckte die erste Rollenoffsetdruckmaschine der Welt, genannt „Universal“, beim Druckwalzenhersteller Felix Böttcher in Leipzig, auf die der Offset-Pionier Caspar Hermann schon am 26. November 1907 ein deutsches Patent erhalten hatte und die der Böttcher-Inhaber Ernst Herrmann auf eigene Rechnung bei der Vogtländischen Maschinenfabrik AG (VOMAG) in Plauen bauen ließ. Gleichzeitig wurde damit das Gummi-gegen-Gummi-Prinzip erfunden, das den Schön- und Widerdruck simultan und ohne Einfügung zusätzlicher Druckzylinder bewekstelligen konnte.

Dies und die weiteren Entwicklungsschritte zum heute allgemein eingesetzten Offsetdruckverfahren waren das Thema des ersten VDD-Seminars dieses Jahres am IDD der TU Darmstadt, zu dem der VDD-Vorstand als Referenten Herrn Joe Nünlist aus der Schweiz gewinnen konnte. Nünlist hat seine Erfahrungen auf diesem Gebiet, die er in den verschiedenen Firmen (7 Jahre GOSS in USA, 7 Jahre MAN in Augsburg, 3 Jahre Albert-Frankenthal und 13 Jahre Heidelberg) sammeln konnte, jüngst in einem Buch mit dem Titel: „Historie des Rollenoffset-Verfahrens“ (über den Keppler Verlag in Heusenstamm erhältlich) veröffentlicht. Eine besondere Note erhielt das Seminar auch dadurch, dass sich die Enkelin von Caspar Hermann, Frau Helen Schmits, unter den Seminarteilnehmern befand, die ihrerseits im Eigenverlag gerade ein Buch über ihren Großvater mit dem Titel:“ Caspar Hermann – ein Leben für den Offsetdruck“ herausgebracht hat.

Joe Nünlist unterteilte seinen Vortrag in die drei Entwicklungsepochen des Rollenoffsetdrucks: die Gründerzeit (1912-1940), die Renaissance (1940-1980) und die Neuzeit (1980-heute). Besonders interessant war dabei, was er über die Anfänge des Illustrations-Rollenoffsetdrucks in USA zu sagen hatte. Dort baute schon in den 1940er Jahren der aus Deutschland stammende Konstrukteur John F. Webendorfer bei der Schriftgießerei American Type Founders (ATF) in Elisabeth, New Jersey, die erste Rollenoffsetmaschine mit stehenden Doppeldruckwerken, indem er die Zylinderanordnung des Caspar Hermann um 90° in die Vertikale drehte. Wichtig war dabei die S-Umschlingung der Papierbahn an den Gummituchzylindern, um Bahnspannungsschwankungen zu vermeiden – ein Patent, um das viel gestritten wurde und erst 1971 auslief.

Webendorfer kümmerte sich nicht nur um die Gestaltung der Druckwerke, sondern auch um die peripheren Einrichtungen der Rollenoffsetmaschine, wie Einzugswerk, Trockner und Kühlwalzen. Für die mit Gasbrennern bestückten Trockner im Heatset-Druck wurde Ben Offen in Chicago sein Partner. Später gesellte sich Otepka hinzu. Ende der 1940er Jahre wurden die ersten so ausgerüsteten ATF-Rollenoffsetmaschinen in USA ausgeliefert. Als zu Beginn der 1960er Jahre in Europa das Interesse am Rollenoffsetdruck erneut erwachte, druckten in USA bereits 288 Maschinen in 133 Druckereien. Neben ATF waren dies Maschinen auch von Hantscho und Fairchild.

Die Drupa 1962 setzte den Markstein für die Renaissance des Rollenoffsetdrucks in Europa, indem die traditionellen Hersteller MAN, Albert-Frankenthal, Faber & Schleicher / Roland, Frühwald & Jäger, GMA und Wifag mit neuen Maschinen herauskamen. Konzentrierte sich bis dahin das Rollenoffsetdruckverfahren hauptsächlich auf den höher-qualitativen Illustrationsdruck, so kamen mit Ende der 1960er und Beginn der 1970er Jahre auch spezielle Zeitungsoffsetdruckmaschinen hinzu, die zunehmend den bis dahin praktizierten Buchdruck ablösten. Zwischenlösungen wie indirekter Buchdruck, Di-Litho und Flexodruck konnten den Trend zum Offsetdruck nicht aufhalten.

Joe Nünlist schloß sein hoch-informatives Referat mit dem Nachwort aus seinem Buch: „Seit der Gründung des Rollenoffsetdrucks 1912 sind Bahngeschwindigkeiten sowie Druckqualität ständig angestiegen, und es könnte der Eindruck entstehen, dass keine Grenzen gesetzt sind. Dem ist jedoch nicht so, denn Grenzen werden immer bestehen. Getreu dem ökonomischen Grundgesetz, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen unbegrenzt sind, so wird auch der Rollenoffset an Grenzen stossen.“ Und er fügte hinzu, dass das Substitut sich vielleicht schon mit dem Digitaldruck am Horizont abzeichnet. Er wolle mit seinem Buch und so auch mit diesem Referat zum Nachdenken anregen, getreu dem Leitspruch: „Nur wer die Geschichte kennt, kann in die Zukunft blicken!

Dipl.-Ing. Boris Fuchs